Die Flammen der Dunkelheit
flüsterte Glic, die Erschütterung war ihm deutlich anzumerken.
»Glaubst du wirklich, ich lüge, um dich hier zu halten? Nein, es ist die niederschmetternde Wahrheit!«, versicherte Ardal. »Ich wünschte, es gäbe einen Ausweg! Alle leiden unter dem Druck, den die Soldaten verbreiten.«
»Die können sich wenigstens frei bewegen!«, sagte Glic bitter. Im nächsten Augenblick hellte sich sein Gesicht auf. Man konnte buchstäblich sehen, wie die Ideen durch seinen Kopf flitzten. Aufgeregt beugte er sich vor und fragte: »Wie wird man Soldat?«
»Kommt nicht infrage!«, sagte Ardal, der ahnte, worauf das hinauslief.
»Wieso?« Glic runzelte empört die Stirn. »Da wären wir wenigstens sicher – und draußen!«
»Willst du wirklich Menschen aufspüren, die getötet werden, oder sie gar selbst umbringen müssen?«
»Ich, nein …« stotterte Glic. Seine Enttäuschung war mindestens so groß wie die Freude über den Einfall.
»Die Palastwache!«, rief Benen plötzlich. »Das sind doch auch Soldaten und die müssen keine Durchsuchungen machen.«
»Nein?«, fragte Glic und neue Hoffnung zeichnete sich in seinem Gesicht ab.
»Die sind nur dafür da, die Königin zu bewachen. Stimmt’s, Dorc?« Kaum hatte er das gesagt, zog Benen das Genick ein, denn ihm wurde bewusst, dass es vielleicht unklug war, den Gefährten an seine Vergangenheit im Palast zu erinnern. Doch Dorc nickte nur mit unbewegter Miene. Falls ihm das Thema unangenehm war, ließ er es sich nicht anmerken.
Glic sah ihn prüfend an, bevor er schließlich weitersprach: »Ich will hier raus! Wir sind lebendig begraben! Die Palastwache scheint die einzige Möglichkeit zu sein, den Himmel zu sehen und sicher vor den Häschern Jalluths zu sein.«
»Der Himmel besteht nur aus Wolken«, murmelte der Schreiber, aber niemand hörte ihn.
Glic hatte sich vorgebeugt und sagte beschwörend: »Ardal, du musst unbedingt herausfinden, wie wir da hineinkommen!«
»Ich glaube kaum, dass Dorc das will!«
»Er hätte längst protestiert, wenn er dagegen wäre, er ist ja nicht taub!«
»Nun gut, ich werde sehen, was ich in Erfahrung bringen kann.« Ardal versprach sich wenig von diesem Einfall, es gab zu große Hindernisse. Aber möglicherweise würde ihn das zu einer besseren Lösung bringen, denn so konnte es nicht weitergehen, das sah er nur zu deutlich. Eigentlich war es erstaunlich, dass die drei nicht schon früher gegen ihr Schicksal aufbegehrt hatten. Das musste am Dämonenblut liegen, das sie vermutlich auch geistig widerstandsfähiger machte. Er glaubte, dass Menschen sich nie sechs Jahre in solch eine quälende Situation gefügt hätten, ohne daran zu zerbrechen. Wenn er aus dem Hause war, konnte niemand das Versteck verlassen, da der Schrank nur von außen zu verschieben war. Und selbst wenn er da war, blieben sie an die Küche gefesselt, denn von den anderen Räumen war der Rückweg zu weit, falls die Soldaten Einlass begehrten. Anfangs hatten sie nachts noch kurze Ausflüge in den Hinterhof gewagt, aber das wurde zu gefährlich. Je größer der Druck auf die Bewohner der Stadt geworden war, desto mehr begannen diese sich gegenseitig zu bespitzeln, vielleicht in der Hoffnung, durch das Melden eines Verdächtigen künftig in Ruhe gelassen zu werden. Das Risiko, dass einer der Nachbarn Benen oder gar Dorc und Glic zufällig sah, war einfach zu groß.
Die Dohle wurde unruhig und nach einer Weile flatterte sie gegen die Tür. Sie wussten längst, das schlaue Tier gab auf diese Weise zu verstehen, dass es hinauswollte. Vermutlich hatte es Hunger. So gern Ardal es füttern würde, er konnte von dem wenigen Essen nichts abgeben. Leise öffnete er die Hintertür, gerade weit genug, und der Vogel flog fort, sehnsüchtig beobachtet von den drei Eingesperrten. Während Ardal die Tür wieder schloss und sich in seinem alten Lehnstuhl niederließ, überlegte er, dass sich die siebte Prophezeiung nie erfüllen könnte, solange Glic und Dorc hier festsaßen. Möglich, dass es gar kein Fehler war, einen Weg nach draußen in die Freiheit zu suchen – sofern Soldaten frei sein konnten. In Gedanken machte er sich schon einmal eine Liste von Menschen, die er aushorchen oder um einen Gefallen bitten konnte. Außerdem war er nun gezwungen, eine Nachricht für den Boten zu hinterlassen. Ohne Aithreos Einverständnis durfte er die beiden nicht in ihrem Vorhaben unterstützen. Er ging nur noch selten hinauf auf den Dachboden, auch das war äußerst gefährlich geworden. Aber
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