Die Flammen der Dunkelheit
jeden die gleichen Gedanken. So viele Fragen, auf die sie keine Antwort fanden, stürmten durch ihre Köpfe. Aber sie blieben stumm.
Sie wussten nicht, wie viele Stunden vergangen waren, als sie es endlich wagten, eine Kerze anzuzünden. Sprechen wollten sie noch immer nicht. Da erklangen über ihnen Geräusche, das Scharren von Holz auf Holz, und selbst als jemand die Luke öffnete und sie erleichtert Ardals Gesicht sahen, kletterten sie bloß wortlos aus ihrem Versteck.
Die Verwüstung im Haus machte sie erst recht sprachlos, ebenso wie die hässliche Beule auf Ardals Stirn. Man hatte ihn niedergeschlagen, als er nicht schnell genug aus dem Weg ging. Er konnte nicht einschätzen, wie lange er ohnmächtig gewesen war. Sein Kopf schmerzte unerträglich und er fühlte sich noch immer benommen. Nachdem sie das Schlimmste aufgeräumt hatten, entschieden Benen und Dorc, wieder nach unten zu gehen, damit Ardal sich ausruhen konnte. Glic folgte widerstrebend. Mit jedem Mal erschien ihm der Unterschlupf kleiner. Der Deckel über ihnen senkte sich auf die Luke, sperrte den Rest der Welt aus und verkleinerte die ihre auf drei mal vier Schritt. Glic hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können, die Wände rückten immer näher und seine über Jahre hart erkämpfte Beherrschung verließ ihn.
»Ich halte diesen dumpfen Geruch nicht mehr aus, die Feuchtigkeit … Erde, immer nur Erde!«, platzte er plötzlich heraus.
»Draußen riecht es kaum viel besser. Der Regen lässt alles vermodern«, versuchte Benen ihn zu trösten. »Versuche es mal so zu sehen, Erde birgt Leben in sich.«
»O ja!« Glic lachte bitter und zerdrückte eine Assel. »Welch herrliches Leben!«
Dorc nahm seine Hand und hielt sie fest. »Weißt du, wie verbranntes Fleisch riecht? Dein eigenes Fleisch?«, fragte er leise.
Glic erwiderte den Druck. »Ich halte es nicht mehr aus! Mir scheint der Tod erstrebenswerter als das Leben«, flüsterte er. »Dorc, das ist kein Leben!«
Dieser gab darauf keine Widerrede, ließ ihn aber auch nicht los. Ohne ein weiteres Wort warteten sie auf das ersehnte Öffnen des Ausgangs über ihnen, der doch nur in eine Sackgasse führte.
Ardal bemerkte die veränderte Stimmung sofort, als er die drei am nächsten Abend nach oben in die Küche holte. Sein Gefühl sagte ihm, dass jetzt der Punkt erreicht war, von dem aus es nie mehr so weitergehen würde wie bisher. Trotzdem versuchte er diesen Gedanken wegzuwischen und so zu tun, als ob nichts wäre. Aber nicht einmal Benen ging auf sein Geplauder ein und nach einiger Zeit verstummte auch er. Schweigend kauten sie auf den steinharten alten Brotkanten, die Ardal dem Koch abgeluchst hatte.
»Wie lange müssen wir noch da unten hausen?«, fragte Glic plötzlich in die Stille hinein. »Bis wir zu Staub zerfallen oder besser gesagt vermodern? Das ergibt keinen Sinn!«
»Irgendwann werden die Durchsuchungen aufhören und die Menschen hier keine Gefangenen mehr in der eigenen Stadt sein.« Am zweifelnden Gesichtsausdruck der anderen sah Ardal, dass sie ihm die Lüge anmerkten. Wieder einmal überlegte er, ob er von der Prophezeiung erzählen sollte, scheute aber wie stets davor zurück. Er fürchtete ihre Reaktion, hatte er doch selbst das Gefühl, dass Aithreo mit seinem Plan Dorc und Glic missbrauchte. Wenn er ihnen auch sonst fast alles, was er wusste, erzählt hatte, in die Rolle als Hoffnungsträger eines ganzen Volkes wollte er sie noch nicht einweihen, und angesichts des elenden Daseins in einer Erdhöhle erschien ihm das Ganze recht bizarr.
»Nein!«, sagte Glic heftig. »Immer heißt es, ich soll warten! Ich habe genug! Lieber sterbe ich bei dem Versuch, über die Stadtmauer zu entkommen.«
Dorc nickte, mischte sich aber nicht weiter ein. Er redete sowieso selten mit, wenn Benen und Glic sich unterhielten. Die Erfahrungen im Kerker des Erwählten hatten ihn verändert. Keiner wusste genau, was in ihm vorging, nur eines war sicher: Er unterstützte Glic bedingungslos.
»Auf dem Land gibt es nirgendwo ein Versteck, die Soldaten werden euch dort rasch aufspüren«, sagte Ardal.
»Im Wald werden sie mich nie finden! Dort kenne ich mich aus!«, rief Glic.
»Von deinem Wald sind nur noch wenige Bäume übrig, Junge«, sagte Ardal leise. Als Glic ihn ungläubig anschaute, fügte er hinzu: »Die Menschen haben ihn fast abgeholzt, um ihre Häuser und Schuppen auszubessern. Der ständige Regen lässt Bretter und Balken viel zu schnell verfaulen.«
»Das ist nicht wahr«,
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