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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyne Okonnek
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gesenktem Kopf vor sich hin, selbst der Vogel verharrte still. Die Stimmung war bedrückend, doch nicht erst seit Ardals missglücktem Versuch, Glic wenigstens ein Lächeln zu entlocken. Nach einer Weile holte Ardal den Stockfisch, den er in der Küche des Heiligtums ergattert hatte, und zerteilte ihn in drei gleich große Stücke. Stumm kauten sie das kärgliche Mahl. Sie wussten, dass viele Bewohner in der Stadt in dieser Hinsicht weniger gut dran waren und Hunger litten. Nur im Haus der Priesterschaft und für die wichtigsten Bediensteten bei Hofe gab es noch halbwegs regelmäßige Mahlzeiten. Eine Zeit lang hatte Ardal Aufstände gefürchtet, aber die Menschen sahen selbst, dass der Regen nicht aufhörte und den Anbau von Gemüse unmöglich machte. Sogar die Erträge der Samen aus den Sumpfgräsern, aus denen man Brot machte, waren zurückgegangen. Es schien, als hätten sich die Leute in ihr Schicksal ergeben. Doch Ardal glaubte Anzeichen zu bemerken, dass die unaufhörlichen Durchsuchungen zunehmenden Unmut hervorriefen.
    Auch sein Haus war schon mehrmals von den Häschern Jalluths heimgesucht worden, die bislang nichts gefunden hatten, obwohl er jedes Mal damit rechnete. Niemand verstand mehr, warum das kein Ende nehmen wollte, aber Ardal kannte den Grund. Er hatte irgendwann erfahren, dass die Flucht des Prinzen tatsächlich bemerkt worden war. Seit sie damals die offenen Schlösser entdeckt hatten, gingen sie davon aus, dass der Prinz mindestens einen Helfer gehabt haben musste, vielleicht sogar mehrere. Eine Weile war jeder im Heiligtum verdächtig gewesen. Ardal schied als einer der ersten aus diesem Kreise aus, man traute dem Toren so viel Verstand und Wagemut nicht zu. Er vermutete, dass die Suche hier eher dem zweiten Kind aus der Prophezeiung – und damit Glic – galt, denn keiner der Priester konnte ernsthaft glauben, dass man den Prinzen zurück in die Stadt gebracht hatte. Ardal selbst hätte es auch vermieden, und nur der ahnungslose Glic, der weder Umstände noch Hintergründe kannte, war sich nicht im Klaren über das Ausmaß der Gefahr gewesen. Andererseits durchkämmte das Heer die Insel seit Jahren genauso gründlich, und es war fraglich, ob Dorc außerhalb der Stadt sicherer gewesen wäre. So viele Menschen mit Dämonenblut waren dabei entdeckt worden und hatten grausam sterben müssen, dass sich Ardal fragte, wieso die Bevölkerung nicht längst aufbegehrte. Hielt sie Angst oder Resignation davon ab? Darauf hatte er keine Antwort. Es blieb ihm auch keine Zeit, länger darüber nachzugrübeln. Dröhnende Schläge ließen die Eingangstür erzittern.
    Sie erstarrten nur einen winzigen Augenblick, dann stürzten die drei jungen Männer hinab in das Versteck, schlossen den Deckel und Ardal rückte das Schränkchen darüber zurecht. Im Dunkeln hörten sich die Schritte der Soldaten noch lauter an, das Poltern von zu Boden stürzenden Möbeln dröhnte in ihren Ohren, dazwischen schallten Rufe durchs Haus, begleitet vom Klirren der Waffen und zerschlagenem Geschirr. Sie kauerten auf ihrem Lager und zogen die Köpfe ein, als würden sie dadurch unsichtbar. Ein Schrei ertönte und Benen fuhr hoch. War seinem Vater etwas zugestoßen? Dorc zog ihn zurück. Wieder schwere Stiefel auf den Dielen der Küche, Erde rieselte auf sie hinab. Es konnte nicht sein, dass sie ein weiteres Mal davonkamen! »Grian sei mit uns«, wisperte jemand, ein Hauch nur, aber zu laut für ihre Ohren. Wie gut war das Gehör der Soldaten? Eine Weile war Rauch zu riechen und Glic wurde unruhig. Hatten sie das Haus angezündet? Unwillkürlich erinnerte er sich. Seine erste Begegnung mit den Flammenkriegern! All die Jahre hatte er versucht, die Bilder und die Schreie des verbrennenden Kindes zu vergessen, aber vergeblich. Schweiß lief ihm über Stirn, Schläfen und den Rücken hinunter. Sein Herz raste, er wollte nicht so enden. Er hörte ein Hecheln und merkte, es war sein eigener Atem. Rasch schlang er die Arme um die Knie, gab sich Halt und ein wenig Trost. Er spürte mehr, als dass er sah, wie Benen den Oberkörper hin und her wiegte. Zwischen ihnen kauerte Dorc, dunkel und starr wie ein Fels.
    Die Stille brachte Erleichterung, aber auch neue Angst. Was war dort oben geschehen? Lebte Ardal noch? War er im Haus oder hatten sie ihn mitgenommen, eingesperrt? Wie lange sollten sie warten, falls er sie nicht herausließ, bevor sie versuchen könnten die Luke mit Gewalt aufzubrechen? Ohne dass sie miteinander redeten, bewegten doch

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