Die Flammen von Lindisfarne

tückische Feuergott ist frei. Nun sammelt er seinen Getreuen und befiehlt ihnen, in die Welt zu ziehen. Sie sollten die Menschen bewegen, den Glauben der Väter zu leugnen. Dann werden sie zu Lokis Heeren, die sich zum Sturm auf Asgard zu sammeln!“
     
    „Die Christen glauben, dass ihr Gott vierzig Tage nach seiner Auferstehung in den Himmel aufgefahren sei!“ rief Thursula durch den aufkommenden Lärm. „Auch glauben sie, dass er einst wiederkommen werde an der Spitze seiner Heerscharen, um Gericht zu halten!“
     
    „Nach Muspelheim ist er gezogen, die Feuerriesen zu wecken“, fand der Odins-Priester die Erklärung. „Wenn er wiederkommt, will er über die Asen rechten, die ihn, den ehrlosen Neiding, schmählich ausstießen.
     
    Doch die Götter Walhalls beugen sich nicht ohne Kampf!“ Die Stimme des Odins-Priesters grollte wie ferner Donner. „Ein Krieg steht uns bevor, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. In diesem Kampf sollen nicht nur die Einherier für Odin die Waffen schwingen. Auch der Nordmann von Midgard soll die Scharen der Feinde angreifen und vernichten, bevor die Hufe ihrer Rosse Bifröst, die herrliche Regenbogenbrücke, besudeln.“
     
    Tosender Beifall der Halle ließ ein freudiges Lächeln über Silberhaars Gesicht gleiten. Und Lars hörte sich selbst lauthals in diesen Chor einfallen, auf dass er mit dem Schwert in der Hand für Odin streiten wolle.
     
    „Hört ihr es, Männer von Ringan-Fjord? Und ihr, Männer von Angantyr, hört ihr es?“ dröhnte Silberhaars Frage. „Während ihr euch in Fehde bezwistet, dringen die Scharen von Odins Feinden voran. Je mehr sich die Söhne der alten Götter bekämpfen und gegenseitig töten, umso stärker wird der Gegner!
     
    Ragnaröck, das Ende der Götter, dämmert herauf!“
     
    In diesem Augenblick hob Olaf Metkanne einer inneren Eingebung folgend das mächtige Stierhorn. Das Horn, mit dem er zur Arbeit, zum Kampf oder zum festlichen Mahle und Gelage rief. Der tiefe, dumpf-hallende Klang dröhnte durch die Halle und es war Lars Wolfssohn, als ob ihn der Hauch eines Gottes streifte. Seine Haut fröstelte in heiliger Schauer.
     
    Mit einem Sprung stand Hrolf Silberhaar auf dem Tisch. Den Mantel hatte er zurückgeworfen. Das graue Gewand darunter wurde von einem mächtigen Waffengurt gehalten, in dem ein ungefügiges Schwert schwang. Anstelle des Hutes hatte er sich während der aufkommenden Erregung einen Helm ins Haar gedrückt, den er unter seinem Gewand verborgen in die Halle gebracht hatte. Zwei mächtige, ausgebreitete Rabenflügel am Helm ließen keinen Zweifel, dass er hier im Namen Odins selbst redete. Doch waren es nicht die friedfertigen Worte des grauen Wanderers, sondern der Ruf des Schlachtenlenkers und Herrn der Walstatt. Noch einmal toste der Schall des mächtigen Horns durch die Halle, dann hob der Priester in der Gestalt seines Gottes den Speer.
     
    „Hört ihr das Gjallar-Horn, Männer von Nordland?“ rief er mit dröhnender Stimme. „Vernehmt ihr Heimdalls Ruf, ihr todeskühnen Wikinger?“
     
    „Wir hören das Tosen des Horns! Wir vernehmen den Ruf Heimdalls!“ erklangen die Rufe der Männer von unten.
     
    „Das Horn ruft zu Heer! Not ist da! Der Götter Not! Lokis Heere ziehen den Riesen und den Toten voraus gegen Walhalls heilige Burg!“ dröhnte die Stimme Silberhaars durch die Halle. „Noch haben die Hufe ihrer Rosse die heilige Regenbogenbrücke, nicht besudelt. Beim Blute Ymirs, des Ur-Riesen, sie sollen ihr Ziel nicht erreichen. Ihr, die Wölfe des Nordens, werdet nicht zulassen, dass sie Walhalls strahlende Pracht zerstören! Zu den Waffen, Wikinger! Auf zum Kampf für die Götter des Nordens!“
     
    „Für Odin! Für Thor! Für die Asen!“ brüllten die rauen Gesellen. Ringan Leute wie Angantyr Männer ließen ihre Stimme erschallen und hoben die Schwurhand. Auch Lars war voll Begeisterung aufgesprungen und streckte die Rechte empor. So laut er konnte, stimmte er dem Schwur der Halle bei.
     
    „Ihr leistet den Eid trunken!“ rief der Priester. „Gedenket seiner am morgigen Tage!“
     
    „Trunken haben wir geschworen! Nüchtern halten wir den Eid!“ grölten die Wikinger.
     
    „Auf der Insel Britannia im Westen sammeln sich die Heere des hellen Christ, um in die Ohren der Odins-Söhne das Gift ihres Glaubens zu verspritzen und sie zum Abfall von den ewigen Göttern zu verführen!“ rief Silberhaar. „Dorther kam Bonifatius, der Frevler an Thors heiliger Eiche. Und dorthin müssen