Die Flammen von Lindisfarne
der Schiffsbaukunst der Friesen vereinigen“, erklärte Wulfegar fest. „Wir werden einen Kampfdrachen bauen, größer und besser als jemals eins durch das Wasser des Fjord geglitten ist. Mehr als hundert tapfere Wikinger werden auf ihm fahren können und es wird noch genügend Platz für reiche Beute sein. Mit diesem Schiff werden wir nach Britannia segeln. So ward es gestern beredet. Und Männer reden nur einmal!“
„Also hat man im Rat beschlossen, dass ein neues Schiff gebaut werden muss?“ fragte Wiltrudis und packte zwei faustgroße Stück Ziegenkäse aus den Blättern, mit denen sie umwickelt waren.
„Ein größeres und besseres Schiff, als es selbst der Seekönig besitzt“, nickte Snorre. „Wulfegar gibt all sein Eisen für Nägel, um Spanten und Planken ineinander zu verbeißen. Das gibt besseren Halt als die Nieten aus Wurzelholz, mit denen wir bisher unsere Planken zusammenhefteten und die Riemen aus Walross-Haut, mit denen die Hölzer zusammengebunden wurden.“
„Thiudbrand, der Friese, hatte von seinem Vater den Schiffsbau gelernt“. sagte Wulfegar. „Und in einer Bucht unweit der Hammerburg bauten wir kleine, wendige Schiffe nach Art der Fahrzeuge, mit denen unsere Ahnen Horsa und Hengist nach Britannia übersetzten. Thiudbrand lehrte mich, dass man die Maße nur vervielfachen muss, um aus kleinen Nachen große Kampfschiffe zu machen.
Dieser neue Kampfdrachen wird schneller und wendiger sein als alle anderen Schiffe dort unten am Steg. Die wären uns sogar bei der Überfahrt nur hinderlich, weil sie keinen Kiel haben und deshalb mit ihnen kein Abrollen der Wogen möglich ist. Außerdem lassen sich ihre Masten nicht umlegen.“
„Und darum müssen wir jetzt gut essen und uns stärken“. grunzte Snorre, „Weil wir nach dem Mahl in die Wälder ziehen werden und einen geeigneten Baum suchen, der für den Kiel taugt. So hieß dieses Ding doch, was die Sachsen bei den Schiffszimmerleuten der Romaburg lernten, oder.“
„Ein Kiel?“ stieß Lars Wolfssohn hervor, der schon bei der ersten Erwähnung des Wortes Wulfegar fragend angesehen hatte. „Was in der Götter Namen ist ein Kiel?“
„Das Herz eines Baumes, der zum Herzen des Schiffes wird!“ erklärte der Sachse. „Mit einem Kiel lassen sich die Schiffe in rauer See besser manövrieren.“
„Aber unsere Schiffe sind gut...“, protestierte Lars.
„...doch das neue Schiff wird besser“, schnitt ihm Snorre das Wort ab. „Ja, aber es ist wie Wulfegar sagte. Unsere Skeidhs eignen sich zum Fischfang bei glatter See und die Schniggen zur Fahrt im ruhigen Wasser der Fjorde. Doch wenn die Wogen des Sturmmeeres auf uns zurollen, müssen wir stets das Schiff so wenden, dass wir der Welle mit dem hochgezogenen Bug oder dem Heck durchschneiden. Denn sonst mag es geschehen, dass uns eine solche Welle umwirft. Frage Harald Drachenreiter, unseren besten Steuermann. Nur seiner Kraft und Geschicklichkeit ist es zu verdanken, dass wir noch nicht dem Toben von Rans Wogenhunden zum Opfer gefallen sind.“
„Was ein Kiel ist, werdet ihr sehen, wenn ihr das Holz dazu gehauen habt.“ lachte Wulfegar, „Und dazu brauchen wir eine Eiche, deren oberes Geäst in den Wolken verschwindet. Nur das Schiff ist stabil, dessen Kiel aus einem einzigen Baum geschnitten ist“, setzte der Sachse hinzu. „Ihr, die jungen Krieger, ergreift eure Äxte. Nein, Eisenfaust, nicht den vielgerühmten Wetterstrahl, denn nicht Kampf gilt es, sondern harte Arbeit!“
„Euch beiden Helden des Methorns werde die Ehre zuteil, den Baum zu fällen, den Wulfegar und ich für den Kiel aussuchen“, grinste der Schmied...
* * *
Der Baum schien ein König des Waldes zu sein. Er stand inmitten des Mischwaldes wie ein Herrscher zwischen seinen Untertanen.
„Diese Eiche dort“. sagte Wulfegar. „Sie hat die Länge, die wir brauchen, um daraus den Kiel für unser neues Schiff zu zimmern.“
„Der hat sicher schon mehr als zweihundert Winter gesehen“, brummte Snorre. „Es wird viel Mühe machen, ihn zu fällen.“
„Dafür haben wir ja junge Arme und kräftige Körper mitgebracht“, lachte der Sachse und wies auf Lars und Widar, die vergeblich versuchten, den Stamm mit ihren beiden Armen zu
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