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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
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Fäusten erhoben wurden. Die Namensgebung eines Schiffes war immer ein willkommener Anlass zum Trinken.
     
    „Der MIDGARDSCHLANGE all Heil!“ brüllten die rauen Nordmänner aus voller Kehle.
     
    „Odin!“ schrie Haakon Bärensprung und der dumpfe Ton des von Olaf geblasenen Stierhornes ließ die Stimme des Jarls so schrecklich dröhnen, als ob der Herr der Asen selbst seinen grausigen Kampfruf ausstieß. Dann hob er das Trinkhorn an die Lippen und stürzte das bittersüße Gerstenbier so gierig hinab, dass es rechts und links aus seinen Mundwinkeln herab rann und dunkelbraune Perlen in seinem blonden Bart bildete.
     
    „Odin!“ grölten die Wikinger wie eine Herde angreifender Ur-stiere und taten es ihrem Jarl gleich. Dröhnend wurden die Hörner mit der Öffnung auf die Tische gehauen um zu zeigen, dass sich kein Tropfen mehr darin befand.
     
    Und im Geiste der Männer in der Halle tauchte das Bild des Schiffes auf, das am Ufer des Fjord emporgewachsen war. In groben Zügen war der Bau fertig. Doch jetzt überzog Eis das Holz und der Schneesturm fegte darüber hinweg. Die MIDGARDSCHLANGE war in Kampfdrachen von einer Größe, wie man ihn ohne das Wissen und die Anleitung des klugen Wulfegar in der Weltabgeschiedenheit des Ringan-Fjordes nicht hätte bauen können.
     
    Vom hochragenden Bug bis zum steil geschwungenen Heck hatte das Schiff mehr als zwanzig Mannslängen. An seiner breitesten Stelle konnten bequem mehr als drei Männer hintereinander liegen. Vom Kiel aus dem Herz des Baumes, den Widar Eisenfaust und Lars Wolfssohn gefällt hatten, wurden die Planken nach oben zusammengefügt, ohne dass man vorher ein Spanten-Gerippe geschaffen hatte. Tagelang hatten die Ringan-Männer nach den passenden Bäumen gesucht, die man der Länge nach spalten konnte, um sie nach dem Transport zum Bauplatz mit der Axt als Planken zuzuhauen.
     
    Und dann hatte Björn Baumfäller seinem Namen alle Ehre gemacht. Wie der Hammers Thors die Felsen von Riesenheim so zerschlug seine langschäftige Axt das Holz hochragender Fichten und uralter Eichen. Mit seinem Hammer, der ihm Waffe und Werkzeug zugleich war, trieb Ragnar die Keile ein, mit denen der todgeweihte Baum die Richtung bekam, in die er brechen sollte.
     
    Alle Pferde waren im Geschirr und auch die Rinder hatte man ins Joch gezwungen, um die nur grob von den Ästen befreiten Stämme hinunter zum Ufer des Fjord zu ziehen.
     
    Dort wuchs langsam, aber stetig, von Kiel herauf der Körper des mächtigen Drachenschiffes empor. Wulfegar, der Sachse, gab seine Anweisungen und hatte viel Mühe, Thorsten Elchnase und den anderen Männern die Neuerungen zu erklären, die dieses Schiff allen anderen Langbooten des Nordens überlegen machen sollte. Aber nachdem die Männer von den Vorteilen des Kiels und anderer Verbesserungen althergebrachter Konstruktionstechnik überzeugt waren, unterbrachen sie die Arbeit nur noch für einen kurzen Trunk Wasser, einige hastige Bissen oder die Nachtstunden, wenn sich bleierne Müdigkeit über die Augen legte und der Schlaf augenblicklich kam.
     
    Staunend sah Haakon Bärensprung ein Drachenschiff entstehen, das leicht die Gier des Seekönigs reizen konnte. Die sechzehn Planken aus festem Eichenholz an jeder Seite des Schiffes waren sorgfältig übereinander geschichtet. Eisernen Rundkopfnieten verbanden im Abstand von zwei Händen die sorgsam behauenen Holzbretter miteinander. Die Nieten wurden an der Innenseite des Schiffes mit einer Gegenplatte angezogen, was der Konstruktion größte Festigkeit gab. Danach wurden die Planken von Außen mit Teer bestrichen, um das Holz unempfindlich gegen das Meerwasser zu machen.
     
    Die Planken waren von unterschiedlicher Stärke und nur dort, wo der Wasserdruck am größten war, mehr als drei Finger dick. Oberhalb und unterhalb der Wasserlinie hatte das Holz nicht mehr als zwei Finger Stärke. Dadurch wurde das Schiff so leicht als möglich und ließ sich trotz eines Fassungsvermögens von mehr als hundert Kriegern besser führen.
     
    Sorgfältig wurden die Planken am Vorder- und Achterstevent mit zusätzlichen Nieten gesichert. Hier befanden sich in einer besonders gesicherten Kiste Ersatznieten, schwere Hämmer und fingerdicke Taue. Mit diesem Material konnten bei schwerer See, wenn die Gewalt der Wogen das Schiff verformte und die Planken aus den Fugen krachten, etwaige Schäden sofort repariert werden. Auf jeder Bordseite waren in der zweiten Planke von oben zwanzig Ruderlöcher eingelassen.

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