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Die Flammende

Die Flammende

Titel: Die Flammende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Kristin; Diestelmeier Cashore
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davon unterscheiden konnte, wie sie sich anfühlte. Wenn Fire sich nicht so stark hätte konzentrieren müssen, wenn ihr jeder Gedanke an Humor nicht so ferngelegen hätte, hätte sie gelacht. Denn sie wusste, dass sie über einem Mikrokosmos des ganzen Königreichs stand, einer Welt aus Verrätern, Spionen und Verbündeten in eleganten Kostümen, die alle Seiten repräsentierten und sich gegenseitig abschätzend musterten, versuchten, die Gespräche der anderen zu belauschen, und gespannt darauf achteten, wer kam oder ging. Zuerst waren da Lord Gentian und sein Sohn, das Zentrum der Gesellschaft, obwohl sie am Rand standen. Gunner, mittelgroß und unscheinbar, verschmolz in gewisser Weise mit der Ecke, aber Gentian war groß mit leuchtend weißem Haar und zu berühmt dafür, ein Feind des Königs zu sein, um nicht aufzufallen. Er war von fünfen seiner »Begleiter« umringt, Männer, die aussahen wie bissige Hunde, die man in Abendkleidung gesteckt hatte. Schwerter waren auf Bällen wie diesem nicht erwünscht; die einzigen sichtbaren Waffen trugen die Palastwachen, die an den Türen postiert waren. Aber Fire wusste, dass Gentian, Gunner und ihre schwach getarnten Leibwächter Messer hatten. Sie wusste, sie waren durch und durch von Misstrauen durchdrungen; sie konnte es spüren. Und sie sah, wie Gentian wiederholt unbehaglich an seinem Kragen zog. Sie sah, wie er und sein Sohn sich bei jedem Geräusch hektisch umdrehten, mit einem falschen Lächeln, das beinahe bis zum Wahnsinn verzerrt war. Fire sah, dass Gentian nicht unattraktiv war, elegant gekleidet und offensichtlich distinguiert, außer man war in der Lage, seine gereizten Nerven zu spüren. Er bereute es, gekommen zu sein.
    Es überwältigte Fire, allen in diesem Hof zu folgen, und sich über den Hof hinauszustrecken war schwindelerregend. Aber so gut sie konnte und mit Hilfe jedes Bewusstseins, das ihr Zutritt gewährte, erstellte sie im Geist eine Liste aller Leute im Palast, von denen sie annahm, sie seien Lord Gentian oder Lady Murgda wohlgesinnt, aller Leute, denen man nicht trauen konnte, und auch der Leute, denen man sehr wohl trauen konnte. Sie übermittelte die Liste einem Sekretär in Garans Büro, der Namen und Beschreibungen notierte und sie dem Oberbefehlshaber der Wache übermittelte, zu dessen mannigfaltigen Aufgaben in dieser Nacht es gehörte, jederzeit zu wissen, wer sich wo befand, und jedes unvorhergesehene Auftauchen von Waffen oder Verschwinden entscheidender Personen zu verhindern.
    Der Himmel war jetzt dunkel. Fire spürte Bogenschützen, die sich im Schatten der Balkone um sie herum aufstellten. Sowohl Gentian als auch Murgda waren im dritten Stock des Palasts mit Blick auf ebendiesen Hof untergebracht worden. Die Räume über, unter und neben ihnen sowie gegenüber beherbergten keine Gäste, sondern waren vorübergehend von einer Abordnung des königlichen Militärs belegt worden, die Fires Wache ziemlich bescheiden aussehen ließ.
    Das waren Brigans Anweisungen gewesen.
    Fire wusste nicht genau, was sie mehr fürchtete, sollte er nicht rechtzeitig auftauchen: die Bedeutung für sie und seine Familie persönlich oder für ihre nächtliche Aufgabe und den Krieg. Vermutlich war beides nicht voneinander zu trennen. Wenn Brigan nicht kam, war er wahrscheinlich tot und damit wäre sowieso alles verloren, sei es groß wie die Pläne für heute Nacht oder klein wie ihr Herz.
    Und dann, nur wenige Minuten später, stolperte sie über ihn, als er sich am Rand ihrer Reichweite auf der nächstgelegenen Stadtbrücke materialisierte. Beinahe unfreiwillig sandte sie ihm eine Woge aus Gefühlen, die als Wut begann, sich dann aber augenblicklich in Sorge verwandelte und Erleichterung, ihn zu spüren, all das zu unkontrolliert, um ausschließen zu können, dass sich nicht auch einige ihrer tieferen Gefühle hineingeschlichen hatten.
    Er sandte Selbstvertrauen, Erschöpfung und Entschuldigung zurück, und sie erwiderte ihm mit Entschuldigung ihrerseits, und er entschuldigte sich erneut, diesmal hartnäckiger. Brigan ist da , teilte sie den anderen eilig in Gedanken mit und schob die allgemeine Erleichterung aus ihrem Verstand. Ihre Konzentration ließ nach. Sie strengte sich an, den Hof wieder unter Kontrolle zu bekommen.
    Lady Murgda hielt sich stärker zurück als Gentian. Wie Gentian war sie mit

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