Die Flammende
Rauchabzug in der Decke auf, der direkt zum Dach und in den Himmel hinaufführte.
In dem Raum war es dämmrig und überall stöhnten und schrien Soldaten, es roch nach Blut und Rauch und noch etwas SüÃlichem, das Fire am Eingang stehen bleiben lieÃ. Zu sehr erinnerte sie all das an einen ihrer Albträume. Sie konnte das nicht.
Aber dann sah sie einen Mann, der auf dem Rücken in einem Bett lag, seine Nase und Ohren schwarz wie ihre Finger und nur eine Hand auf seiner Brust, weil die andere nicht mehr da war, nur noch ein in Gaze gewickelter Stumpf. Er biss die Zähne zusammen, fiebrig und zitternd, und Fire ging zu ihm, weil sie ihr Mitleid nicht unterdrücken konnte.
Allein bei ihrem Anblick schien die Panik in seinem Innern abzuflauen. Sie setzte sich auf die Bettkante und sah ihm in die Augen. Ihr wurde klar, dass er vollkommen erschöpft war, aber zu gequält von Schmerz und Angst, um zu ruhen. Sie erlöste ihn von seinem Schmerzgefühl und linderte seine Angst. Sie half ihm einzuschlafen.
Und so wurde Fire zu einer festen GröÃe im Lazarett; denn sie linderte den Schmerz viel besser als die Medikamente der Chirurgen, und in jenem Raum gab es jede Art von Schmerz. Manchmal genügte es, bei einem Soldaten zu sitzen, um ihn zu beruhigen, und manchmal, wenn zum Beispiel ein Pfeil entfernt werden musste oder wenn eine Operation im Wachzustand nötig war, brauchte es mehr. Es gab Tage, an denen Fires Bewusstsein an mehreren Stellen im Raum gleichzeitig war und den Schmerz dort linderte, wo er am schlimmsten war, während sie mit offenen Haaren die Reihen der Patienten entlangschritt und ihre Blicke die Augen der Männer und Frauen in den Betten suchten, die bei ihrem Anblick weniger Angst hatten.
Es überraschte sie, wie einfach es war, mit Soldaten zu sprechen, die im Sterben lagen, oder mit Soldaten, die sich nie wieder völlig erholen würden oder ihre Freunde verloren und Angst um ihre Familien hatten. Fire hatte gedacht, dass ihre Grenze erreicht sei; dass sie nicht noch mehr Schmerz in sich aufnehmen könne. Aber sie musste daran denken, dass sie Archer einmal erklärt hatte, Liebe könne man nicht anhand einer Skala messen, und jetzt verstand sie, dass für Schmerz dasselbe galt. Wenn der Schmerz immer stärker wurde und man gerade dachte, man habe seine Grenze erreicht, begann er, sich seitwärts auszudehnen und auszuströmen und andere Menschen zu berühren und sich mit deren Schmerz zu vermischen. Er wurde gröÃer, aber irgendwie auch weniger bedrückend. Fire hatte angenommen, sie wäre auÃerhalb des normalen Gefühlslebens der Menschen gefangen, und hatte dabei nicht bemerkt, wie viele andere Leute am selben Ort gefangen waren wie sie.
SchlieÃlich begann sie auch Clara an diesem Ort zuzulassen. Sie erzählte Clara, wonach Claras Kummer sich sehnte: die Einzelheiten von Archers Tod.
»Er ist allein gestorben«, sagte sie leise zu ihr.
»Und«, erwiderte Clara genauso leise, »er ist in dem Glauben gestorben, dich im Stich gelassen zu haben. Denn zu dem Zeitpunkt muss er von ihren Plänen, dich zu entführen, gewusst haben, meinst du nicht?«
»Er hat es zumindest vermutet«, sagte Fire, der jetzt, als sie die Geschichte in Worte fassten, bewusst wurde, wie viele Teile davon sie nicht kannte. Es schmerzte und tröstete sie gleichermaÃen, die fehlenden Teile einzufügen, genau wie die Salbe, die die Heiler auf ihren wunden Händen verstrichen. Sie würde nie erfahren, was es für ein Gefühl gewesen war, von seinem eigenen Vater erschossen zu werden. Oder ob die Dinge anders verlaufen wären, wenn sie aufmerksamer gewesen wäre, wenn sie sich stärker bemüht hätte, ihn vom Gehen abzuhalten. Wenn sie schon vor Jahren irgendwie verhindert hätte, dass er sie so sehr liebte; wenn Archer, egal, wie stark sein Bewusstsein oder wie tief seine Zuneigung war, ihrer Monsterschönheit gegenüber vollkommen immun gewesen wäre.
»Ich nehme an, genauso wenig werden wir je erfahren, wie Jod in Wirklichkeit war«, sagte Clara, als Fire ihr schweigend all diese Gedanken übermittelt hatte. »Wir wissen natürlich, dass er ein Verbrecher war«, fuhr sie energisch fort, »und ein brutales Schwein, das es verdient hat zu sterben, auch wenn er der GroÃvater meines Kindes ist.« Sie schnaubte: »Was für GroÃväter dieses Kind hat! Aber was ich
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