Die Flammende
es hatte trotzdem beschlossen zu bleiben.
Lieber Brigan, dachte sie bei sich. Menschen wollen unvereinbare, unmögliche Dinge. Und Pferde auch.
»Hat der Oberbefehlshaber die Stute bereits zu Gesicht bekommen?«, fragte Brocker, den seine eigene Frage zu amüsieren schien. Offensichtlich wusste Brocker um Brigans Einstellung zu Pferden.
»Ihr Wert interessiert mich nicht«, sagte Fire sanft, »und ich werde ihm nicht dabei helfen, ihren Willen zu brechen.«
»Du bist nicht fair«, sagte Brocker mild. »Der Junge ist bekannt für seine Freundlichkeit Pferden gegenüber. Er zähmt keine Tiere, die ihn nicht mögen.«
»Aber welches Pferd mag ihn nicht?«, fragte Fire und hielt dann inne, weil sie albern und sentimental wurde und viel zu viel verriet.
Einen Augenblick später sagte Brocker mit eigenartiger, beunruhigter Stimme, die sie nicht recht einordnen konnte: »Ich habe einige schwerwiegende Fehler begangen und mir dreht sich der Kopf, wenn ich versuche, alles zu verstehen, was daraus entstanden ist. Ich war nicht der Mann, der ich hätte sein sollen, niemandem gegenüber. Vielleicht«, sagte er und sah in seinen SchoÃ, »bin ich zu Recht bestraft worden. Oh, mein Kind, deine Finger brechen mir das Herz. Könntest du lernen, die Saiten mit der rechten Hand zu greifen?«
Fire fasste seine Hand und drückte sie, so fest sie konnte, antwortete jedoch nicht. Sie hatte schon daran gedacht, ihre Geige andersherum zu spielen, aber das war fast so, wie ganz von vorne anzufangen. Achtzehnjährige Finger lernten längst nicht so leicht wie fünfjährige, über die Saiten zu fliegen, und auÃerdem wäre es auch nicht einfach, mit nur zwei Fingern und einem Daumen den Bogen zu halten.
Ihr Geigenpatient hatte ihr etwas anderes vorgeschlagen. Was, wenn sie die Geige weiterhin in der linken Hand hielt und den Bogen in der rechten, aber ihre Musik mit einem neuen Fingersatz versah, so dass sie mit nur zwei Fingern spielbar war? Wie schnell konnte sie die Saiten niederdrücken und wie genau? Eines Nachts, als es dunkel war und ihre Wache sie nicht sehen konnte, hatte sie so getan, als hielte sie ihre Geige in der Hand, und hatte mit den beiden Fingern imaginäre Saiten gedrückt. Es war ihr wie eine tollpatschige, nutzlose, deprimierende Ãbung vorgekommen. Brockers Frage brachte sie dazu, darüber nachzudenken, es vielleicht noch einmal zu versuchen.
Eine Woche später verstand sie den Rest von Brockers Worten.
Sie war lange im Lazarett geblieben und hatte das Leben eines Mannes gerettet. Das gelang ihr manchmal: Es war eine Frage der Willenskraft von Soldaten, die dem Tod am nächsten waren und von denen einige unter quälenden Schmerzen litten, während andere noch nicht einmal bei Bewusstsein waren. Im Moment des Aufgebens konnte sie ihr Durchhaltevermögen stärken, wenn sie wollten. Sie konnte ihnen helfen, sich an ihrem verschwindenden Ich festzuhalten. Es funktionierte nicht immer. Ein Mann, der nicht aufhörte zu bluten, würde niemals überleben, egal, wie hartnäckig er gegen den Tod ankämpfte. Aber manchmal war das, was sie ihnen gab, genug.
Es erschöpfte sie natürlich sehr.
An jenem Tag hatte sie Hunger und wusste, dass es in den Büros, wo Garan und Clara, Brocker und Roen ihre Zeit damit verbrachten, sehnsüchtig auf Nachrichten zu warten und zu diskutieren, etwas zu essen gab. An diesem Tag diskutierten sie allerdings nicht, und als Fire mit ihrer Wache eintrat, spürte sie eine ungewöhnliche Leichtigkeit. Nash war da, er saà plaudernd neben Mila und hatte ein ehrlicheres Lächeln im Gesicht, als Fire seit langem bei ihm gesehen hatte. Garan und Clara aÃen friedlich aus Schüsseln und Brocker und Roen saÃen zusammen an einem Tisch und zeichneten Linien auf eine topografische Karte von einer Gegend, die aussah wie die untere Hälfte des Königreichs. Roen murmelte etwas, worüber Brocker kicherte.
»Was ist?«, fragte Fire. »Was ist passiert?«
Roen sah von der Karte auf und zeigte auf eine Terrine mit Eintopf. »Ah, Fire. Setz dich. Iss etwas und dann erklären wir dir, warum der Krieg nicht ganz hoffnungslos ist. Was ist mit Ihnen, Musa? Neel? Haben Sie Hunger? Nash«, sagte sie und drehte sich um, um ihren Sohn missbilligend anzusehen. »Hol Mila noch mehr Eintopf.«
Nash stand von seinem Stuhl auf. »Alle kriegen Eintopf auÃer
Weitere Kostenlose Bücher