Die Flammende
hatte, ein Fremder. Als die Soldaten ihn hereinbrachten, spürte Fire denselben geistigen Nebel wie bei dem Wilderer. Und dann, bevor Fire überhaupt darüber nachdenken konnte, ob und wie sie ihre Macht nutzen sollte, um Informationen aus ihm herauszubekommen, kam ein Pfeil durch das offene Fenster mitten in Archers Wachhaus geflogen und traf den Eindringling zwischen den Schulterblättern. Archer stürzte sich auf Fire und warf sie zu Boden. Der Eindringling brach neben ihr zusammen, einen kleinen Blutfaden im Mundwinkel. Sein leeres Bewusstsein verwandelte sich in ein inexistentes Bewusstsein, und von ihrer zusammengekauerten Stellung auf dem Boden aus, während SoldatenfüÃe an ihren Haaren zogen und Archer über ihr Anweisungen brüllte, griff sie nach dem Bogenschützen, der geschossen hatte.
Er war kaum wahrnehmbar, ziemlich weit weg, aber sie fand ihn. Sie versuchte ihn festzuhalten, aber ein Stiefel trat ihr auf den Finger und der plötzliche Schmerz lenkte sie ab. Als sie erneut nach ihm griff, war er nicht mehr da.
Er ist Richtung Westen in Trillings Wald gerannt , sagte sie in Gedanken zu Archer, weil sie zu atemlos zum Sprechen war. Und sein Bewusstsein ist genauso leer wie das der anderen.
Ihr Finger war nicht gebrochen, er tat nur furchtbar weh, wenn sie ihn bewegte. Es war der Mittelfinger ihrer linken Hand, daher stellte sie für ein, zwei Tage das Harfe- und Flötespielen ein, aber sie weigerte sich, auch aufs Geigespielen zu verzichten. Sie hatte schon zu lange ohne das Instrument auskommen müssen und würde sich nicht davon abbringen lassen. Sie versuchte einfach, nicht an die Schmerzen zu denken, denn jeder Schmerzensstich wurde jetzt von einem Stich aus Ãrger begleitet. Fire war es leid, verletzt zu sein.
Eines Tages saà sie in ihrem Schlafzimmer und spielte eine fröhliche Melodie, ein Tanzlied, aber irgendetwas in ihrer Stimmung lieà sie das Tempo verlangsamen und schwermütige Stellen darin entdecken. SchlieÃlich stellte sie fest, dass sie zu einem ganz anderen Lied gewechselt hatte, einem, das offenkundig traurig war, und ihre Geige brachte schluchzend ihr Gefühl zum Ausdruck.
Fire hörte auf zu spielen und legte das Instrument in ihren SchoÃ. Sie starrte es an, dann drückte sie es wie ein Baby an ihre Brust und fragte sich, was mit ihr los war.
In ihrem Kopf tauchte ein Bild von Cansrel auf, in dem Moment, als er ihr diese Geige gegeben hatte. »Man hat mir gesagt, sie habe einen schönen Klang, Liebling«, hatte er gesagt und sie ihr geradezu nachlässig entgegengestreckt, als wäre sie ein unbedeutendes Spielzeug, das ihn kein kleines Vermögen gekostet hatte. Sie hatte sie entgegengenommen und sich an ihrer Schönheit erfreut. Aber sie hatte gewusst, dass ihr wahrer Wert von ihrem Klang abhing und davon, wie sie sich anfühlte, und weder das eine noch das andere konnte Cansrel beurteilen. Versuchsweise hatte sie mit ihrem Bogen über die Saiten gestrichen. Die Geige hatte augenblicklich geantwortet, sich nach ihrer Berührung gesehnt und mit zarter Stimme, die Fire verstanden und erkannt hatte, zu ihr gesprochen.
Ein neuer Freund in ihrem Leben.
Sie hatte ihre Freude vor Cansrel nicht verbergen können. Auch er war zufrieden gewesen.
»Du bist erstaunlich, Fire«, hatte er gesagt. »Du bist eine unerschöpfliche Quelle der Verwunderung für mich. Ich bin nie glücklicher, als wenn ich dich glücklich gemacht habe. Ist das nicht eigenartig?«, sagte er lachend. »Gefällt sie dir wirklich, Liebling?«
Auf dem Stuhl in ihrem Zimmer zwang Fire sich, die Fenster und Wände anzusehen und in die Gegenwart zurückzukehren. Es begann zu dämmern. Bald würde Archer von den Feldern zurückkommen, wo er beim Pflügen half. Vielleicht hatte er Neuigkeiten über die laufende Suche nach dem Bogenschützen. Oder vielleicht hatte Brocker einen Brief von Roen mit Nachrichten von Mydogg und Murgda, Gentian, Brigan oder Nash erhalten.
Fire nahm ihren Langbogen und den Köcher, schüttelte die Erinnerungen ab wie lose Haare und verlieà das Haus auf der Suche nach Archer und Brocker.
Es gab keine Neuigkeiten. Es gab keine Briefe.
Fire hatte eine ihrer Monatsblutungen mit all den dazugehörigen Schmerzen und peinlichen Momenten. Dann hatte sie wieder eine. Es war eine Art der Zeitmessung, da alle in ihrem Haus, in Archers Haus und in der Stadt wussten, was es zu
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