Die Flieger von Antares - 08
ausreichten, um sämtliche Stadtbewohner zu evakuieren. Ebenso klar war mir – eine schreckliche Vorstellung –, daß die herabströmende Lava das schmale Tal füllen würde, in dem sich die Stadt erhob, daß sie die ganze grüne Senke füllen, die Häuser bedecken, an den Hangterrassen emporsteigen und sich dabei die ganze Zeit in den See ergießen würde. Wenn man ins Wasser sprang und davonzuschwimmen versuchte, mußte man schneller sein als die Lava. Viele versuchten ihr Heil auf diesem Wege, doch nach kurzer Zeit schon wurde das Wasser viel zu heiß, und viele Flüchtlinge kamen auf grausige Weise ums Leben.
Ich fand Lart Lykon, den Elten. Er war ein großer, knochiger Mann mit mächtiger Stimme, unruhigen Augen, einem gewaltigen Bart, Goldringen an den Fingern und Bändern an den Armen. Er trug ein einfaches graues Hemd und eine blaue Hose. Ich packte ihn an der Schulter, als er gerade eine Frau zur Seite schob und in ein Boot steigen wollte. In seiner Begleitung waren einige Wächter, kampferfahrene Männer mit Stuxes, die mich mit rauher Stimme aufforderten, den Elten in Ruhe zu lassen. Ich packte den ersten vorschnellenden Stux und schlug ihn dem Angreifer über den Kopf.
Inzwischen hatte es Asche zu regnen begonnen, glühende Tropfen, die empfindlich auf der Haut brannten. Überall schrien die Menschen aus voller Kehle. Wir befanden uns auf der schmalen Fläche zwischen dem Seeufer und der Stadt.
»Elten!« sagte ich so laut ich konnte; schließlich mußte ich dem Mann sogar ins Ohr brüllen. »Bei allem, was dir heilig ist, du wirst nicht fliehen! Es gibt eine Möglichkeit, Muruaa zu überlisten!«
»Unmöglich!« sagte er atemlos und mit rollenden Augen. »Muruaa wird uns alle verschlingen, wird uns bei lebendigem Leibe verbrennen!«
Ein zweiter Wächter drehte durch und versuchte mich von hinten mit seiner Lanze zu erledigen. Ich war gezwungen, mich umzudrehen, wobei ich den Elten nicht losließ, und dem Mann den Stux wegzunehmen. Er wirkte auf mich wie ein gemeiner, wenig intelligenter Bursche – womit ich ihm vielleicht unrecht tue –, und ich stieß ihn mit heftiger Bewegung zurück. Der Druck der Menschenmenge zwang ihn, sich am Stux festzuhalten. Er wand sich wie ein Fisch an einer Harpune und taumelte davon.
Dann wandte ich mich den anderen Wächtern zu. Es handelte sich um ziemlich primitive Burschen, soweit es ihr Verhältnis zur Macht anging. Sie begriffen, was mein Gesichtsausdruck ihnen kundtat, noch ehe ich die Stimme erhoben hatte. Und ich gab mir Mühe, meine Stimme überall verständlich zu machen.
»Hört mich an! Die Flucht ist sinnlos! Ihr müßt sofort tun, was ich sage! Wenn ihr es nicht tut, kommt ihr alle elend ums Leben – und ich mit euch!«
Ich zerrte den Elten der Stadt mit und hielt ihn so in die Höhe, daß seine Füße in der Luft hingen.
»Der Elten wird euch bestätigen, was ich sage! Ihr müßt an den Flanken des Lavastroms emporsteigen, hinter den Häusern, über die Terrassen hinauf, hoch über die Stadt, über das Dorf. Dabei müßt ihr angefeuchtete Tücher mitnehmen und sie euch über die Köpfe halten. Nehmt außerdem Spitzhacken und Schaufeln mit – und seid bereit, meinem Kommando zu folgen. Glaubt mir, wenn ihr es nicht tut, ist es um euch geschehen!«
Es folgte eine heftige Diskussion; doch ich drückte Lart Lykon, dem Elten, einen Stux in die Seite und ließ es nicht zu Widerstand kommen. »Sag den Leuten, sie sollen gehorchen, Lykon, sonst hauchst du auf der Stelle dein Leben aus!«
Er krächzte etwas und brachte schließlich einen Befehl heraus.
»Tut, was dieser wilde Leem sagt! Wir haben eine Chance! Ich weiß es, denn zur Zeit meines Großvaters hat Muruaa schon einmal seine Wut gezeigt und ließ sich nur durch Opfergaben besänftigen ...«
»Du verdammter Onker!« brüllte ich und schüttelte ihn heftig. »Nichts dergleichen wird geschehen! Ihr werdet vielmehr eine Lücke in den Rand des Lavastroms graben, wo das Gestein schon wieder etwas abgekühlt ist. Die Arbeit wird bestimmt schwer, doch wenn ihr es tut, sucht sich das Feuer durch die Bresche wahrscheinlich einen neuen Weg – den Weg, den ihr kennt, über die Klippe in den See unterhalb des Dorfes.«
Aufruhr, Chaos, Verwirrung – doch trotz der widrigen Umstände vermochte ich den Leuten schließlich begreiflich zu machen, was ich wollte. Immer wieder schüttelte ich Lart Lykon und bedrohte seine Wächter, die sich eines Bootes zu bemächtigen suchten. Als sie den Versuch nicht
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