Die Flipflop-Bande
begegnet,müsst ihr sie weglocken. Ich bleibe bei ihm und halte ihm den Mund zu, okay?«
»Okay! Du kommst dann nach, wenn die Luft rein ist«, meinte Fritzi. »Und unsere Roulade hier, die kann mal ordentlich schmoren. Aber du musst ihn knebeln, damit er nicht schreien kann.«
»Mit ’ner alten Socke«, schlug Hanan vor. »Oder willst du mein schmutziges Taschentuch haben?«
Die Flipflop-Mädchen lachten und Memolis Augen schossen Blitze auf sie ab. Aber sagen konnte er ja nichts, dafür sorgte Lotte schon.
Geteiltes Leid
Wie still es plötzlich war, nachdem die Mädchen davongerannt waren. So still, dass Lotte glaubte, ihr eigenes Herz klopfen zu hören. Memoli hatte aufgehört, wütend vor sich hin zu grummeln. Aber in seinen Augen konnte Lotte lesen, was er am liebsten gebrüllt hätte. Lass mich los, sonst kannst du was erleben.
»Ha!«, sagte Lotte zu dem verschnürten Paket, neben dem sie kniete. »Du wirst hier liegen bleiben, bis du alt und grau und schimmelig bist. Bald ist der Hort aus, dann gehe ich nach Hause. Und von mir aus kannst du ruhig schreien. Deine Wölfe hören dich sowieso nicht.«
Memoli zappelte mit den Beinen, dann gab er auf. Er ließ einen Seufzer hören und seine schwarzen Augenfunkelten nicht mehr vor Zorn. Ehrlich gestanden sahen sie ein wenig ängstlich aus, fand Lotte.
»Ja, du wirst richtig schön Ärger kriegen, wenn du zu spät im Hort auftauchst. Und zu Hause bestimmt auch.« Lotte konnte es nicht lassen, Memoli noch ein bisschen mehr zu ärgern. Obwohl das eigentlich gar nicht mehr richtig Spaß machte, so ganz ohne die anderen Mädchen. »Wenn du versprichst, nicht zu schreien, dann nehme ich meine Hand weg«, sagte sie eine Spur freundlicher.
Memoli nickte und Lotte ließ ihn los. Er holte tief Luft und schluckte. »Pah«, sagte er. »Ich krieg überhaupt keinen Ärger. Winfried checkt doch überhaupt nichts. Und zu Hause kann ich kommen, wann ich will. Das merkt eh keiner.«
Das sollte stolz und frech wirken, das war klar. Aber eigentlich klang es eher traurig. Oder lag das daran, dass Lotte auf einmal selbst ein bisschen traurig wurde? Mama und Papa bekamen ja in letzter Zeit auch kaum mit, ob sie zu Hause war oder nicht. Die waren nur noch mit ihren Streitereien beschäftigt.
»Ich kann auch kommen, wann ich will«, antwortete sie. Und weil sie vor Memoli ihren Kummer nicht zeigen wollte, machte sie ein trotziges Gesicht.
»Schimpfen deine Eltern nicht, wenn du zu spät kommst?«, fragte Memoli.
»Nee. Kann denen doch wurscht sein.«
»Na, super.« Memoli zuckte mit den Schultern, soweit das ging mit dem vielen Seil, das um ihn gewickelt war. »Dann kannst du mich ja hier so lange bewachen, wie du Lust hast.«
»Tu ich aber nicht. Ich gehe jetzt. Wenn du so toll bist, wie du immer tust, kriegst du den Knoten schon selber auf.«
»Klar krieg ich das«, antwortete Memoli. Aber als Lotte aufstand und tatsächlich ein paar Schritte wegging, hörte sie ihn seufzen. »Lotteeee!«, rief er und das hörte sich kein bisschen mehr selbstbewusst an.
Lotte drehte sich zu dem Bündel am Boden um. Nein, sie brachte es nicht fertig, Memoli hier alleine zu lassen. »Also gut, ich binde dich los«, sagte sie. »Dann kommen wir noch früh genug zum Hort. Aber erst musst du dich entschuldigen.«
Memoli grummelte irgendetwas, das nach »schulligungtutmirleid«, klang.
»Ehrlich?« Lotte versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. Memoli sah wirklich ziemlich zerknirscht aus.
»Ehrlich«, wiederholte er.
»Okay«, sagte Lotte zögernd. Doch dann kniete sie sich hin und begann, an dem Knoten zu zerren und zu zupfen.
»Mein Vater würde ganz schön rummeckern, wenn ich nicht rechtzeitig zu Hause bin«, meinte Memoli.
»Warum tut er’s dann nicht?«
»Weil er nicht da ist.«
»Wo ist er denn?«
»Na, wo wohl? In der Türkei.« Jetzt klang auch Memoli ziemlich trotzig. Sein hübsches Gesicht wurde ganz finster und er merkte gar nicht, dass Lotte den Knoten aufbekommen hatte und das Seil lockerte.
»Schon lange?«, fragte sie.
»Seit ich sechs bin.«
»Und warum?«
Memoli senkte den Blick, als ob ihm peinlich wäre, was er gleich sagen würde. »Weil er uns verlassen hat. Darum. Er hat jetzt eine neue Familie.«
Lotte schluckte. »Eine neue Familie? Und was ist mit deiner Mama?«
»Zuerst ging es ihr gar nicht gut und sie war immer traurig. Aber inzwischen hat sie sich dran gewöhnt; ist ja auch schon lange her. Wir kommen auch so klar.« Wieder versuchte Memoli, stolz
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