Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.
Pflegers mit Au an. Oder bezog sich das Au vielleicht auf ein Auto ? Minnie fielen nur zwei Fahrzeuge ein, auf die das zutreffen konnte – Knopinskis Mercedes und Merkels Golf.
Die alte Dame spielte den Gedanken weiter durch. Jemand hatte Haus Holle betreten, als die Gelegenheit günstig gewesen war. Der Doppelmord musste sich zwischen 22.45 Uhr und 2.35 Uhr ereignet haben, als sie selbst auf dem Sofa vor ihrem Zimmer gesessen hatte und tief eingenickt war. Es war der perfekte Zeitraum für den Täter – weil eine außergewöhnliche Unruhe im Haus ausgebrochen war. In jener gruseligen Nacht war alles anders gewesen als sonst.
Ihre Gedanken schweiften zurück.
Annette war klammheimlich im Haus erschienen…
Sonja Merkel hatte plötzlich Durchfall gehabt…
Omi war mit einer schwarzen Perücke unterwegs gewesen…
Montrésor litt unter Psychosen…
Cristiano hatte überraschenderweise mit einem Pfleger reden wollen…
Auf Nadines Bett lag eine Spritze mit Drogen…
Bella hatte die Korken knallen lassen…
Und sie selbst hatte den unheimlichen Kindgreis gesehen. War es ein kleiner, haarloser Gast gewesen, der sich als Maskenmann verkleidet hatte?
Sie machte sich eine Notiz, und beschloss, Mike um zwei Dinge zu bitten. Der Journalist musste die Vergangenheit der Gäste so schnell wie möglich durchleuchten. Vielleicht begann der Name eines Mitbewohners ja doch mit Au , und Professor Pellenhorn hatte das gewusst. Oder vielleicht war jemand vorbestraft. Außerdem musste Mike Hildegard Merkel nochmal ins Kreuzverhör nehmen – und sie fragen, ob sich in der Todesnacht irgendetwas Außergewöhnliches mit ihrem Auto ereignet hatte.
Die alte Dame schlurfte in die Küche und musterte Kostjas Anrichte. Hier hatten die vom Koch zubereiteten Speisen gestanden, die Kostja am Nachmittag vor Professor Pellenhorns Tod für die Gäste zubereitet hatte. Jeder der Mitarbeiter von Haus Holle, aber auch alle anderen hätten Professor Pellenhorns Cesar’s Salad in einem unbeobachteten Moment manipulieren können. Schließlich hatte der fleißige Koch alle Speisen mit Namensschildern versehen.
Minnie warf einen Blick auf die aktuelle Gästeliste an Kostjas Pinnwand:
Zimmer 1: Klärchen Krause. Keine Speisen. Mit farbigen Speisen verwöhnen.
Zimmer 2: Golo Grünlich. Lässt sich nur von seiner Frau füttern. Speisen für den nächsten Tag bis spätestens nachmittags mit Violetta Grünlich besprechen.
Zimmer 3: Adolf Montrésor. Kein Alkohol! Trockener Alkoholiker!
Zimmer 4: Bella Schiffer: Kleine Portionen. Kein Fisch. Gern Vitamine. Speist im Bett.
Zimmer 5: Jesse Zimmermann. Mag Sushi. Speist im Bett.
Zimmer 6: Minnie Meister. Keine Graupen.
Zimmer 7: Sonja Merkel. Keine Speisen.
Zimmer 8: Dr. Z. Keine Speisen. Nur Lippen befeuchten.
Zimmer 9: Marisabel Prinz. Vegetarierin. Gern Käse, gern Rotwein, gern Antipasti. Täglich nach Sonderwünschen fragen. Vitamindrink ohne Milch aufschütten. Bei Früchten nach Abneigungen fragen. Isst oft aushäusig.
Zimmer 10: Annette Müller. Nur Vitamindrinks.
Zimmer 11: Nadine Nisse. Nur Vitamindrinks.
Zimmer 12: Herbert Powelz. Kann nicht mehr essen. Kleine Portionen anbieten.
Ihr Blick fiel auf die zweite Zeile.
In Zimmer 2 lag seit zwei Tagen ein neuer Bewohner, den seine eifersüchtige Frau – das hatte sich längst im Haus herumgesprochen – erbarmungslos von den Pflegern abschirmte. Golo Grünlich, den Marisabel Prinz als eine Mimose bis zum Abwinken beschrieben hatte, ließ sich die Medizin nur von seiner Gattin verabreichen. Er war verwöhnt wie ein Baby. „ Zeigen Sie mir, wie ich die Morphiumdosis richtig einstellen kann “, hatte Violetta Grünlich den dünnen Dietmar bereits am ersten Tag gebeten – und die Pfleger darauf hingewiesen, dass sie alles im Griff hatte. Dann prasselten weitere Befehle aus ihrem Mund: „ Wir brauchen Sie nur im Notfall. Außerdem möchte ich über jeden Besucher unterrichtet werden, der meinen Mann während meiner Abwesenheit aufsucht. Vor allem über jede Besucherin .“
Jeder Bewohner sucht sich einen Pfleger, der am besten zu ihm passt. Das hatte Dr. Albers Minnie einmal verraten. Daher wusste die alte Dame, dass in Haus Holle häufig Freundschaften zwischen Pflegern und Gästen entstanden. Der dünne Dietmar passte am besten zum leukämiekranken Golo Grünlich – beziehungsweise zu seiner Frau. Violetta honorierte Dietmars hündische Ergebenheit, indem sie den Pfleger in Zimmer 2 duldete und sich nicht vor
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