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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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erwiderte Violetta.
    Nach der Versöhnung wurde sie plötzlich euphorisch.
    „Ob ich das Morphium mal probiere? Wie fühlt man sich damit?“
    „Diese Frau leidet unter Borderline“, sagte Bruno leise. Unbemerkt war der Pfleger zu Minnie getreten und legte seine Hand auf ihre Schulter. „Heute so – morgen so. Violetta Grünlich braucht dringend Hilfe…“
     
    Leise klopfte Mike an die Tür von Zimmer 7. Sofort öffnete ihm Hildegard Merkel.
    Die drollige Dame stand wie ein zum Kehren bereiter Besen im Raum – aufgedreht und lebendig wie immer. Sonja hingegen sah aus wie… Mike erinnerte ihr Gesichtsausruck an Munchs berühmtes Bild Der Schrei . Vielleicht war er noch etwas qualvoller.
    „Wie ist die Lage?“, fragte er Hildegard.
    „Wie immer“, antwortete Mutter Merkel quirlig. „Ich bin täglich da, doch Sonja schläft meistens. Allmählich fürchte ich mich vor dem Winter. Was wird bloß, wenn es anfängt, zu schneien? Und ich nicht mehr mit dem Auto kommen kann?“
    „Noch ist kein Schnee angekündigt“, wusste der Journalist, und nahm den Faden geschickt auf. „Apropos Ihr Auto…  Lebt das überhaupt noch?“
    „Natürlich. Gerade gestern habe ich wieder ein Strafticket fürs Falschparken vor dem Hauptbahnhof erhalten. Dabei gab’s dort kein Verbotsschild – zumindest nicht früher. Ich habe die Polizei direkt angerufen, und mich tüchtig beschwert.“
    Während Mike Sonjas dünne Hand streichelte und dabei ins Leere blickte, kam er endlich auf den Punkt.
    „Gab’s eigentlich mal Zoff wegen Ihres Autos, und weil Sie ständig vor den Poller gefahren sind?“, fragte er möglichst desinteressiert.
    „Natürlich“, empörte sich Hildegard Merkel. „Vor allem mit dem alten Knopinski! Der hat sich immer darüber beschwert, dass ich ihn festsetzen würde, und er nicht mit seinem ollen Schlitten aus der Ausfahrt rauskäme.“
    „War das in der Nacht vor seinem Tod?“
    „Nein, schon etwas früher“, sagte Hildegard und ging in sich. „Aber in der Nacht vor oder nach seinem Tod ist trotzdem etwas Komisches passiert. Ich weiß noch, dass ich mich darüber gewundert habe. Was war das bloß? Widerlich, wenn man so vergesslich wird! Widerlich!“
    Ratlos kratzte sie sich am Kopf. „Wenn jemand behaupten würde, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte“, ärgerte sich die Dame, „müsste ich ihm recht geben. Wie kann man bloß so vergesslich sein?“
    „Hat es mit dem Auto zu tun?“, fragte Mike.
    „Ich glaube, ja“, erwiderte Hildegard. „Irgendetwas war mit  meinem Wagen.“
    In diesem Moment stöhnte Sonja.
    Sofort eilte Mutter Merkel zu ihrer Tochter.
    „Ja, meine Kleine, alles ist wie immer. Mutter ist hier!“ Die quirlige Dame wechselte das Thema. „Ist es nicht schrecklich, dass dieser Priester immer betet? Ich kann keine Gebete hören. Man möchte ihm den Hals umdrehen. Widerlich.“
     
    Angie und Annette waren wach. Fröhlich winkten sie Mike herein.
    „Seit ein paar Tagen liegt meine schöne Frau nur noch im Bett“, verriet Angie. „Aber ihr geht’s trotzdem gut, nicht wahr, Annette?“
    Als die Kranke ihren Mund öffnete, fielen Mike ihre Kraftlosigkeit und ihre tiefe Müdigkeit auf. „Alles okay“, sagte Annette leise. „Aber das Haus kann ich nicht mehr verlassen. Nicht mal Fleisch mag ich noch essen. Ich erbreche pausenlos. In meinen Bauch passt nichts mehr rein. Anscheinend füllt der Tumor ihn ganz aus.“
    Im diesem Moment trat Angies Schwiegervater ins Zimmer. Mike sah Herrn Müller zum ersten Mal. „Kann ich was für Dich tun, Annette?“, fragte ihr Vater mit rotgeweinten Augen und setzte sich auf die Bettkante seiner Tochter.
    „Ja! Ich hätte gern bisschen Weihnachtsschmuck vor dem Fenster.“
    Herr Müller drückte Annettes Hand. „Ich kümmere mich darum.“
    Doch Angie hatte noch eine Frage. „Willst Du den Weihnachtsschmuck, weil Du Dich fragst, ob Du den 24. Dezember noch erlebst, Annette?“
    Ihre Frau lächelte Angie an. „Wie gut Du mich kennst, Schatz… Der Weihnachtsschmuck soll mich motivieren, dass ich bis dahin durchhalte…“
    „Ist Euch eigentlich mal aufgefallen, dass der alte Knopinski Hildegard Merkel wegen ihres Autos angemacht hat?“, fragte Mike.
    Herr Müller warf ihm einen bösen Blick zu. Angie ignorierte das. „Ja, mehrfach“, antwortete sie. „Die drollige alte Dame hat Herrn Knopinski oft zugeparkt. Außerdem ist sie andauernd vor den Poller gefahren. Hast Du das nicht mitbekommen?“
    „Doch, doch“,

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