Die florentinische Prinzessin
voller Genugtuung damit entschädigt sah, dass letztlich ich diejenige war, die blühte und gedieh. Nun hatte ich sie also überlebt und verfügte über eine Macht, die sie nie genossen hatte. Mit der Anweisung an den Steuereintreiber, ihre sämtlichen Besitztümer zu verkaufen, beendete ich dieses schmerzhafte Kapitel meines Lebens.
Im August erhielt ich die Nachricht, dass meine Tochter Elisabeth Zwillingsmädchen zur Welt gebracht hatte. Ich war außer mir vor Freude. Und der überglückliche Vater ordnete in Madrid ein mehrwöchiges Fest an. Aus Rührung darüber, dass eines der Mädchen mir zu Ehren mit der spanischen Fassung meines Namens Catilina getauft worden war, sandte ich dem Paar zwei zueinander passende Trinkpokale mit den darauf gravierten Namen der Säuglinge. Dazu bekam Elisabeth von mir einen mit Ratschlägen gespickten langen Brief und Kräuter, die ihre Erholung von den Strapazen der Geburt beschleunigen sollten.
Wie jeden Sommer zogen wir nach Amboise, wo ich zuerst nach den alternden Löwen sah, die François I. dort gehalten hatte. Die armen Tiere lebten in derart erbärmlichen Verhältnissen, dass ich den Hofarchitekten anwies, ein prächtiges neues Gehege mit reichlich Auslauf zu entwerfen. Charles liebte die Löwen und schaute ihnen stundenlang zu, wenn sie ihr ohrenbetäubendes Brüllen ausstießen. Allerdings beunruhigte mich sein Vorschlag, sie als Köder bei der Bärenhatz zu benutzen. Statt darauf einzugehen, ließ ich ihn bei den Wärtern mitarbeiten, die ihn mithilfe eines Spießes gewaltige Stücke von frisch erlegtem Wild ins Gehege befördern ließen, wo die Raubtiere sich gierig darüber hermachten.
Charles hatte wieder seine alten Gewohnheiten angenommen. Inzwischen war er sechzehn und damit alt genug, um zu regieren. Doch obwohl ich nicht mehr seine offizielle Regentin war, machte er keine Anstalten, den Funken von Selbstständigkeit wiederzubeleben, den er in Blois gezeigt hatte. Er erhielt immer noch täglich Unterricht und hatte die Kronratssitzungen zu absolvieren, verbrachte seine Freizeit aber vor allem mit seinen Falken und Waffen. In Amboise, wo sie die Gelegenheit hatten, Eisen und Bronze zu schmieden, stellten er und Henri sogar ihre eigene Rüstung her. Die Arbeit stärkte ihren Körper und die Kameradschaft zwischen ihnen, auch wenn Margot lästerte, sie würden wie Schmiede riechen, und der zwölfjährige Hercule ständig im Weg war und sich in einem fort die Finger verbrannte.
Nach der Rückkehr von unserer Reise durch Frankreich hatte es mich zutiefst bekümmert zu erfahren, dass mein jüngster Sohn durch die Pocken dauerhafte Entstellungen erlitten hatte. Jetzt hatte er im ganzen Gesicht tiefe Narben, eine verformte Nase und war erheblich im Wachstum gestört. Nicht nur war er seitdem keinen Zoll mehr gewachsen, sondern er hatte auch einen Buckel bekommen. Das konnte sich zwar laut Docteur Paré bei guter Pflege noch bessern, doch es war unwahrscheinlich, dass Hercule je in der Lage sein würde, Kinder zu zeugen, da die Pocken in jungen Jahren auch die Entwicklung der Hoden beeinträchtigten. Immer wieder befielen mich zwanghafte Vorstellungen von einem Wechselbalg mit strähnigem Haar, hervorquellenden Augen und verkümmerter Gestalt, der sich mit dem Einmaleins herumplagte, während seine Geschwister längst vom Lateinischen ins Griechische übersetzen konnten. Weil ich glaubte, dass die Pocken auch seine geistige Entwicklung gestört hatten, bat ich Margot, ihm Unterricht zu erteilen. Von uns allen war sie die Einzige, für die er Zuneigung zu empfinden schien. Wie immer, wenn es um ihn ging, machten mir Schuldgefühle zu schaffen. Mein Letztgeborener hatte mehr als seine Geschwister unter meiner häufigen Abwesenheit gelitten, und obwohl ich mir alle Mühe gab, seine Zuneigung zu gewinnen, zeigte er an mir weder als Mutter noch als Mensch Interesse und bevorzugte bei jeder Gelegenheit Margot. Was seine Brüder betraf, lief er ständig hinter ihnen her, als wollte er beweisen, dass er genauso gut war wie sie. Charles schmähte ihn als Missgeburt, wohingegen Henri ihn amüsant fand und ihm erlaubte, mit ihnen in der Waffenkammer zu spielen. Doch er war immer noch ein Prinz der Valois’. Mit der Zeit konnte er bei genügend Zuwendung dazu geformt werden, eine Rolle im Hintergrund zu spielen, zumal niemand erwartete, dass er jemals den Thron erben würde.
So ging ich voll und ganz in der Sorge um meine Kinder und das Reich auf und bekam überhaupt nicht
Weitere Kostenlose Bücher