Die florentinische Prinzessin
offenen Hemd. Mit seinem wie eine dunkle Löwenmähne über die Schultern fallenden Haar und den vom Wein leuchtenden Augen erinnerte er mich an seinen Großvater François.
»Hier kommt man sich ja vor wie im Hades!«, stöhnte er und wischte sich über die Stirn. »Habt Ihr ein Band?«
Wortlos löste ich einen Riemen von meinem Ärmel und reichte ihn ihm. Damit marschierte er weiter zum Tisch und band sich im Gehen die Haare nach hinten. Mit seinen langen Fingern schnappte er sich die Überreste des gebratenen Fasans. »Margot benimmt sich unmöglich. Ich habe sie gebeten, heute Abend mit mir zu speisen, und sie schickt mir eine Nachricht, dass sie Kopfschmerzen hat. Für wie dumm hält sie mich eigentlich? So etwas wie Kopfweh kennt sie doch überhaupt nicht! Sie will bloß in ihren Gemächern herumsitzen und Trübsal blasen.«
Ich sah ihm dabei zu, wie er nach der Kristallkaraffe und einem Kelch griff und sich Wein einschenkte. Während er trank, ließ er mich nicht aus den Augen. »Und?« fragte er, woraufhin ich ihm ruhig und frei von Zorn alles berichtete, was ich entdeckt hatte. Als ich geendet hatte, seufzte er: »Oje, was für ein raffiniert gesponnenes Netz!«
Ich verlagerte mein Gewicht. »Er ist auf unsere Zerstörung aus, damit er …«
»…seine häretischen Teufel auf uns hetzen kann.« Henri grinste. »Na gut, wenn Charles heute Abend nicht zu dem Treffen gekommen ist, wird Coligny das mit Sicherheit als Warnung verstehen.«
»Fürs Erste. Aber das genügt nicht. Er wird andere Wege finden. Das tut er ja immer.«
Ich löste meine Halskrause und schleuderte sie zur Seite. Mein Sohn hatte recht. Die Luft im Zimmer war zum Ersticken. Am liebsten hätte ich das Fenster aufgestemmt, aber da meine Gemächer im Erdgeschoss direkt vor dem Garten lagen, hätte ich damit riskiert, von Höflingen belauscht zu werden, die sich vielleicht gerade in den Schatten draußen verbargen, um sich miteinander zu vergnügen oder irgendwelche Intrigen zu spinnen.
»Ihr könntet ihn töten«, schlug Henri vor. Ich blickte ihn scharf an, während er gelassen zur Karaffe zurückkehrte. »Das ließe sich ohne Weiteres bewerkstelligen, und niemand würde auf die Idee kommen, dass Ihr die Hände im Spiel hattet.«
Plötzlich stand in meinem Zimmer die Welt still. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm.
»Auf welche Weise?«, fragte ich leise.
»Guise. Er beschuldigt Coligny, seinen Vater ermordet zu haben. Er würde ihn in seinem eigenen Blut baden, wenn er könnte. Natürlich wird er Anleitung benötigen. Wir wollen doch nicht, dass er Coligny hier am Hof absticht.«
»Und du könntest …?«
»Ihn überreden?« Henri rieb mit der Fingerspitze über den Rand seines Kelchs. »Natürlich. Guise und ich mögen unsere Probleme miteinander haben, aber was Coligny betrifft, verstehen wir uns.«
Ich blickte mich in meinem Zimmer um. Es war voller vertrauter Gegenstände, darunter die Porträts meiner Kinder an den Wänden, die mir mehr bedeuteten als alles andere. Meine Augen verweilten auf dem Bild von meiner Elisabeth. Es wirkte so lebensecht, dass ich fast meinte, sie wäre bei mir. In meinem Hinterkopf nahm ein unheilvoller Gedanke Gestalt an und gewann eine schreckliche Macht.
Solange er und seinesgleichen leben, wird es nie Frieden geben .
»Was schlägst du also vor?«, fragte ich und staunte darüber, mit welcher Leichtigkeit ich den Gedanken aufgriff, als wäre mir eine Last abgenommen worden, von der ich gar nicht gewusst hatte, dass ich sie trug.
Henri zog ein Bein an und balancierte seinen Kelch auf dem Knie. »Es muss völlig im Geheimen geschehen. Folglich wird man Guise einen Zeitpunkt und einen Ort nennen müssen. Coligny hat doch sicher feste Gewohnheiten, wie ich annehme?«
Ich biss mir auf die Lippen. »Das weiß ich nicht. Birago kann es herausfinden, aber bis zur Hochzeit nächste Woche können wir uns keinen Aufruhr leisten. Danach …« Ich überlegte. »Was, wenn ich ihn zu mir zitiere?«
Henri wölbte eine Augenbraue. »Glaubt Ihr, er wird kommen? «
»O ja.« Ich hatte schon vor Augen,wie Coligny mit unnachgiebiger Miene in seinem schwarzen Wams vor mir stand. Ich wollte ihn tatsächlich zur Rede stellen, wie mir jetzt klar wurde. Wenigstens ein Mal in seinem Leben wollte ich ihn die Wahrheit zugeben hören. »Er verdächtigt mich, Jeanne getötet zu haben, und sorgt sich um Navarra. Fehlt ihm Charles’ Unterstützung, wird er befürchten, seinen Einfluss zu verlieren. Doch, ja, ich glaube, er
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