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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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nicht kommen sehen.
    »Wie … wie lange schon?«, brachte ich schließlich hervor.
    »So lange, wie ich mich erinnern kann.« Er trat ans Fenster, um die Vorhänge zur Seite zu ziehen. Strahlendes Licht flutete herein. Er wandte sich wieder zu mir um. »Ich habe Guast bei meinem ersten Feldzug gegen die Hugenotten kennengelernt, wenn Ihr Euch daran erinnert. Er hat mir in einer … sehr schweren Zeit geholfen. Seitdem ist er mein Gefährte. Ohne ihn wäre ich womöglich einem von diesen hugenottischen Attentätern zum Opfer gefallen, die, wie Ihr sagt, in meinem Blut waten wollen.« Er zögerte. »Guast ist der treueste Mensch in meinem Leben, nach Euch. Ich will ihm einen Titel verleihen. Für all seine Liebe zu mir verdient er eine Belohnung.«
    »Das kannst du nicht!«, entfuhr es mir. »Dann erfährt es jeder. Setz ihn in ein Schloss, zahl ihm seinen Unterhalt aus deiner Privatschatulle, aber nicht hier, nicht am Hof!« Während diese Worte aus mir herausplatzten, staunte ich über mich selbst. Einen Tag nach der Rückkehr meines Sohnes sah ich mich mit etwas konfrontiert, womit ich keinerlei Erfahrung hatte, und schon sann ich nach Mitteln und Wegen, sein Geheimnis zu verbergen.
    »Maman«, sagte er sanft, »Ihr müsst doch wissen, dass es einfach nicht möglich ist, diejenigen, die wir lieben, fallenzulassen. «
    Wieder hörte ich Margot höhnisch sagen: Ach, um mein Geheimnis braucht Ihr Euch nicht zu sorgen. Nicht, wenn Henri selbst eines zu hüten hat .
    »Lieben?« wiederholte ich. »Du liebst ihn …?«
    »O ja. So tief, wie wir einen Menschen lieben können. So gehässig Margot auch sein kann, in einem hat sie recht: Als sie Guise verlor, hat sie mir gesagt, dass wir nicht so sind wie andere. Wir können nicht wirklich lieben, meinte sie, weil wir nicht fähig sind zu geben, ohne gleich eine Gegenleistung zu erwarten.« Sein Blick wanderte zur geschlossenen Schlafgemachtür. »Es gab eine Zeit, als ich dachte, ich könne sehr wohl auf diese Weise lieben, aber das war ein Irrtum. Dennoch nimmt Guast das an, was ich ihm bieten kann. Ich glaube, dass das wohl als eine Art Liebe gelten kann.«
    »Das ist alles meine Schuld.« Ich schlug die Augen nieder, denn tief in meinem Innersten spürte ich einen Schmerz, den ich mir nie eingestanden hatte. »Als ihr klein wart, du und deine Schwester, war ich nie da, um euch zu zeigen, wie sehr ich euch liebe. Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass Diane euch erzieht. Ich hätte diese Wölfin euch zuliebe bekämpfen müssen.«
    »Ich mache Euch keine Vorwürfe«, erwiderte er so verständnisvoll, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. »Außerdem hat mir das niemand angetan. Niemand hat Schuld. Es gibt viele Männer wie mich.«
    Auf einmal bildete sich ein Knoten in meiner Brust. »Was, glaubst du, wird der Hof dazu sagen? Die Botschafter, die Adeligen? Glaubst du, sie werden das verstehen?« Meine Stimme bebte. Vergeblich bemühte ich mich darum, meine Gefühle zu beherrschen. »Unsere Feinde werden das gegen dich verwenden; sie werden es als Schwäche auffassen. Denk nur an Guise: Er ist jetzt unser höchster katholischer Fürst, und die Kirche verbietet doch …«
    Henris Gesicht und Stimme bekamen einen harten Ausdruck. »Kommt mir nicht mit Guise oder der Kirche! Ich habe Tränen für den einen vergossen und Blut für die andere. Ich habe mich zur Genüge bewiesen. Jetzt bin ich König und werde nicht nur dem Namen nach, sondern auch mit Taten regieren – ich und sonst niemand.«
    Mir verschlug es den Atem. »Ich … ich verstehe nicht.« Die Mappe glitt mir aus den plötzlich kraftlosen Fingern.
    »Lasst es mich erklären.« Er führte mich zu einem Stuhl. Nachdem er mir einen Kelch Rotwein eingeschenkt und in die Hand gedrückt hatte, bückte er sich nach der Mappe und legte sie auf den Tisch. Er kniete vor mir nieder und ergriff meine freie Hand. Dabei sah er mich mit solch inniger Zärtlichkeit an, dass mir erneut die Tränen in die Augen traten.
    »Was ich meine, ist Folgendes«, sagte er liebevoll. »Ich bin nicht wie mein Bruder Charles. Ich will das Land selbst regieren, Maman. Jetzt bin ich der König von Frankreich. Ich muss meine eigenen Entscheidungen treffen.«
    Ich fühlte mich schrecklich schwach und zu keiner Regung fähig, als er meine Hand zu einem kurzen Kuss an seine Lippen hob. »Ihr müsst müde sein«, fuhr er fort. »Die letzten fünfzehn Jahre waren für Euch ein einziger Kampf, um uns alle vor der Zerstörung zu bewahren. Ihr

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