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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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hatte, mich fortzuschicken. Mit dieser Furcht lebte ich nun schon seit Monaten. Ich wagte kaum zu atmen, als sie in die Falten ihres Kleides griff und ein zerknittertes Papier hervorzog, das nach billiger Tinte roch.
    Darauf stand zu lesen: Die Missbräuche der papistischen Mes se, die im Widerspruch zum Letzten Abendmahl unseres Herrn Jesu Christi steht: Die Kirche von Rom und ihre Priester sind Göt zendiener, den Lehren unseres Heilands abtrünnig. Verbrennt eure heidnischen Götzenbilder und nicht jene, die der Wahrheit unseres Herrn anhängen.
    Ich sah zu ihr auf. Sie zog eine Grimasse. »Das ist ein Hugenotten-Traktat. Sie waren so unverschämt, letzte Nacht, als alle schliefen, ihre Pamphlete im Schloss auszulegen. Sie werden wohl irgendwelche von der Dienerschaft bestochen haben, die ihren Ketzerglauben teilen; François hat solche Zettel sogar in seinen privaten Gemächern gefunden. Er ist außer sich. Vorige Woche musste er vierundzwanzig von diesen Hugenotten festnehmen lassen, die dabei erwischt wurden, wie sie Exemplare von Calvins Institutes druckten. Darum sind wir in dieses Pestloch von Stadt gekommen: François muss ein Exempel statuieren, dass die Ketzerei in Frankreich nicht geduldet wird.«
    Also war es, wie Coligny gesagt hatte: François war gezwungen worden, sich dem zu stellen, was er so lange versucht hatte zu ignorieren. Offenbar gab es Hugenotten auch am Hof; ich hatte gedacht, ich könnte sie an ihrem Äußeren erkennen, doch sie fügten sich wohl ebenso ein wie alle anderen, so gut getarnt und zahlreich, dass sie diese Pamphlete hatten verteilen können. Ich wusste immer noch nicht, was ich von ihnen halten sollte, auf keinen Fall aber wollte ich, dass sie den König verärgerten oder das Reich mit ihrem Irrglauben in Aufruhr versetzten.
    »Sie haben ihn provoziert«, seufzte die Herzogin. »Der Arme, er hat es immer vorgezogen, so zu tun, als sei sein ganzes Reich im römischen Glauben verankert und als gäbe es keine Protestanten.« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist alles so ärgerlich. Ich weiß nicht, was sie mit ihrem Trotz erreichen wollen. Es ist ja nicht so, dass es den Lutheranern in den Niederlanden oder in Deutschland besser erginge. Im ganzen Habsburger Reich herrscht Chaos – und das alles nur wegen dieser sogenannten neuen Religion.«
    »Aber das hier ist doch nur ein Pamphlet«, hörte ich mich sagen. »Papier und Tinte können doch keinen Schaden anrichten …«
    »Cathérine«, unterbrach sie mich, »mischt Euch da bloß nicht ein. François braucht Zeit, bis sein Zorn sich legt. Und Ihr habt Wichtigeres zu bedenken.« Sie sah mich prüfend an. »Die Botschaft ist eingetroffen, dass Seine Heiligkeit, Euer Onkel, gestorben ist.«
    Ich vernahm die Nachricht ungerührt. So war Papa Clemens nun tot. Ich hätte wohl Trauer empfinden sollen, da er das letzte Bindeglied zu meiner Vergangenheit gewesen war, doch alles, was ich fühlte, war Erleichterung. Jetzt war ich frei. Nie mehr würde ich seine Intrigen und seinen Einfluss auf mich erdulden müssen. Endlich konnte ich mit Leib und Seele Französin sein und die Identität annehmen, die ich mir selbst geschaffen hatte.
    Dann hörte ich sie sagen: »Meine Liebe, ich kann mir denken, wie niedergeschlagen Ihr seid. Euer Onkel ist dahin, und Ihr bleibt mittellos zurück, ohne Eure Mitgift.«
    »Meine Mitgift?«, fragte ich verwundert. »Aber wurde sie dem König nicht bei meiner Hochzeit überlassen?«
    »Nein, Euer Onkel hat viel versprochen, aber nie das Dokument unterzeichnet, das François das Recht auf Mailand einräumt. « Sie seufzte. »Ich wünschte, ich könnte Euch helfen, doch ich fürchte, nur Ihr allein könnt Euch jetzt noch retten.«
    Ich blickte zu ihr auf. Das Unheil, das ich gefürchtet hatte, war nun da, und ich musste ihm gegenübertreten. Ich dachte an die Belagerung von Florenz und wie ich darum gekämpft hatte, am Leben zu bleiben, selbst als man mich meiner Tante entriss. Wenn ich das überlebt hatte, konnte ich dies hier auch überleben. Und dennoch zitterte ich, als die Herzogin mich schweigend die Korridore hinab zu der eichenen Flügeltür geleitete, hinter der die Gemächer des Königs lagen.
    Ich trat in seinen Arbeitsraum. Die Vorhänge waren zugezogen, sodass es dämmrig war; doch selbst in dem tiefen Schatten sah ich, dass er fahl und erschöpft wirkte von den Widrigkeiten der letzten Wochen. Er deutete auf einen Stuhl. »Setz dich, mein Kind.« Ehe ich es mich versah, hörte ich mich sagen:

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