Die florentinische Prinzessin
kalte Hand in die meine. Seine Augen schlossen sich. »Ah, c’est bon … «
Gegen Mitternacht verlor er das Bewusstsein, und Docteur Paré und die Leute des Königs nahmen meinen Platz ein. Ich hielt mich im Vorzimmer auf; um zwei Uhr morgens riss mich lautes Weinen aus unruhigem Schlaf.
Zögernd trat ich auf die menschenleere Galerie. Eine Gestalt löste sich aus dem Schatten, das Kupferhaar wirr, die Miene untröstlich. Hinter ihr tauchten zwei bleiche, schwarzgewandete Figuren auf, die kläglichen Reste der Petite Bande.
»Ist er …?«, fragte Madame d’Etampes. Ich nickte. Sie schrie auf, schlug die Hände vors Gesicht. Die Frauen wollten sie mit sich fortziehen, als sie sich umdrehte und mit eiskalten Fingern meine Hand ergriff. »Nun seid Ihr an der Reihe. Beherzigt alles, was Ihr gelernt habt; während Männer sich offen schlagen können, müssen wir einen verschwiegenen Kampf führen. Eure Kämpfe beginnen gerade erst, doch Ihr seid die Königin. Ohne Euch ist sie nichts.«
Ich sah ihr nach, wie sie zum letzten Mal davonging. Ihre glänzende Karriere war vorbei; sie hatte den Hof beherrscht, die Zuneigung des Königs in einem Maße vereinnahmt, dass selbst seine Gemahlin, Königin Eleonore, nicht mehr in seine Nähe kam; sie war angebetet worden, verabscheut, gefürchtet. Jetzt stand ihr ein Leben in Einsamkeit bevor, der Frau ausgeliefert, die bald ihre Rolle einnehmen würde. Sie tat mir leid. Ich hatte Angst davor, was Diane ihr antun könnte.
Ich kehrte in meine Gemächer zurück, wo ich die Vorhänge zuzog und mich auf mein Bett setzte. Ich wartete darauf, von untröstlichem Schmerz übermannt zu werden. Ich hatte François geliebt wie keinen anderen, liebte ihn für seine Exzesse und Eigenheiten, für seine Großmut und seine Schwäche; vor allem aber hatte ich ihn geliebt, weil er mich liebte.
Aber ich weinte nicht, keine einzige Träne. Ich hatte ein Ziel, wenn auch noch nebelhaft: Ich würde Königin sein. Fast konnte ich François lachen hören, voller verschmitzter Freude über das, was wir erreicht hatten. Da wusste ich, dass er nie wirklich sterben würde; dies war sein letztes Geschenk, das ich für den Rest meiner Tage bei mir tragen würde.
In mir hatte er uns allen seine unsterbliche Liebe zu Frankreich vermacht.
TEIL III
1547 – 1559 Licht und Ruhe
11
Nach vierzigtägiger Staatstrauer traten Henri und ich zum ersten Mal als Königspaar an die Öffentlichkeit.
Es fiel mir immer noch schwer zu begreifen, dass mein Schwiegervater tot war, dass die ganze Welt sich verändert hatte und ich nun Königin war. Ich legte die weißen Trauergewänder an und begann, wie so oft in Zeiten der Niedergeschlagenheit, mich um Unwichtiges zu sorgen: Ob das Weiß mich fahl aussehen lassen würde? Meine Schwangerschaft war schon sichtbar, und ich spürte die Blicke des gesamten Hofes auf mir, wie sie mich auf meine Eignung hin abschätzten, den Thron mit einem Valois zu teilen.
Anders als ich war Henri die Ruhe selbst. Weiß stand ihm ausgezeichnet, hob den Bernsteinschimmer in seinen Augen und seine dunklen Locken hervor. Der Anflug von Silber in seinem Bart verlieh ihm, dem Dreißigjährigen, zusätzliche Würde, und er zeigte sich leutselig und geduldig, während die eifrigen Höflinge sich in langer Schlange anstellten, um uns ihren Gruß zu entbieten. Auch ich musste an jeden ein paar Worte richten, und mir schmerzte der Nacken vom wohlwollenden Kopfnicken zu ihren hohlen Glückwünschen. Schon wollte ich erleichtert aufseufzen, als der Letzte sich vor uns verneigte, da gewahrte ich auf der Schwelle des Thronsaals eine Gestalt, die mir den Atem stocken ließ.
Francis de Guise, genannt le Balafré, der Narbige, kam am Kopf seines Klans in den Saal stolziert und schnitt eine Schneise durch den versammelten Hof. Sobald er sie entdeckte, sprang Henri auf und ließ mich allein auf unserem Podest zurück. Ungläubig sah ich zu, wie mein Gemahl, der neue König, diese üble Brut so herzlich begrüßte, als sei sie ihm ebenbürtig. Nachdem er le Balafré kameradschaftlich auf die Schulter geklopft hatte, küsste er die Hand seines Bruders, des Kardinals de Guise, den ich nie hatte leiden können.
Obgleich noch in den Zwanzigern, war Monseigneur ein erfahrener Diplomat, der die Interessen der französischen Geistlichkeit in Rom vertreten hatte. Wie seine Brüder war er dazu bestimmt, große Reichtümer zu erben, und er benahm sich, als hätte er nie etwas anderes gekannt. Mit seiner raschelnden
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