Die Flotte von Charis - 4
lachte er, doch es klang ein wenig säuerlich. »Ich scheine heute an allen Fronten besiegt zu werden. Ich hoffe, das ist kein Omen dafür, wie gut alles für Domynyk in Ferayd läuft!«
»Falls es tatsächlich ein Omen sein sollte, dann wollen wir hoffen, dass dafür die gleichen Regeln gelten wie beim Theater«, schlug Merlin vor, und alle lachten leise. In den Theatern von Safehold hielt man sich immer noch an den alten Glauben, eine schlecht verlaufende Generalprobe sei das beste Indiz dafür, die Aufführung selbst werde ein voller Erfolg.
»Dennoch bringt mich das noch auf etwas anderes, worüber ich nachgedacht habe, Merlin«, sagte Cayleb und wandte sich dem Mann zu, der einst Nimue Alban gewesen war.
»Das klingt bedrohlich«, merkte Merlin an, und Cayleb schnaubte belustigt.
»Ganz so schlimm vielleicht doch nicht. Mir ist aufgefallen, dass wir alle − von Euch natürlich abgesehen − nur in sehr beschränktem Maße darüber Bescheid wissen, wie die Menschheit vor Langhorne und der Kirche des Verheißenen war.«
»Das ist bedauerlicherweise wohl wahr«, gestand Merlin ein.
»Na ja, ich habe mich gefragt, was dieses Ding wohl ist, das Zherneau in seinem Tagebuch ein ›NEAT‹ genannt hat. Er hat gesagt, damit hätte Shan-wei ihn wieder Dinge gelehrt, nachdem Langhorne und Bedard sämtliche seiner bisherigen Erinnerungen getilgt hatten.«
Er hielt inne, und Merlin nickte.
»Und hatte ›Nimue‹ auch eines von diesen Dingern − was auch immer das nun sein mag − in ihrer ›Höhle‹?«
»Tatsächlich hatte sie das wirklich − ich meine: ja, so etwas habe ich«, erwiderte Merlin.
»Nun, anhand dieses Tagebuches habe ich den Eindruck gewonnen, diese Dinger seien in der Lage, jemanden innerhalb kürzester Zeit geradezu unglaubliche Mengen Wissen einzuflößen. Deswegen habe ich mich gefragt, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn wir eine dieser Maschinen dazu nutzen würden, ein paar andere von uns ebenfalls diese Dinge zu ›lehren‹ − nur für den Fall, dass Euch irgendetwas Unglückliches widerfahren sollte.«
»Eigentlich halte ich das sogar für eine ausgezeichnete Idee, vor allem, was Euch, Maikel und Rahzhyr, betrifft. Bedauerlicherweise geht das aber nicht.«
»Und warum nicht?«
»Weil ›NEAT‹ ein Akronym ist. Es steht für ›Neurales Erziehungs-, Ausbildungs- und Trainingsgerät‹«, erklärte Merlin. Alle seiner safeholdianischen Zuhörer blickten ihn verständnislos an, und er hob die rechte Hand und formte sie, als wolle er mit der Handfläche eine Flüssigkeit auffangen.
»Das bedeutet, dass es ein unmittelbares Interface mit dem menschlichen Nervensystem darstellt − eine direkte Verbindung zu den Nerven und dem Gehirn. Das ist der Technologie recht ähnlich, die Nimue genutzt hat, um ihre Persönlichkeit und ihre Erinnerungen aufzuzeichnen und sie dann auf mich zu übertragen.«
Es fühlt sich ziemlich komisch an, dieses Gespräch zu führen, dachte Merlin. Andererseits hätte es sich wohl genau so sonderbar angefühlt, wenn er es mit einem Bewohner von Terra hätte führen müssen. Nicht zuletzt, weil er schon so weit das vorgeschriebene Zehn-Tages-Maximum überschritten hatte, das gemäß den Gesetzen der Föderation für jeden PICA galt, der im autonomen Modus betrieben wurde.
»Das Problem ist Folgendes: Damit ein solches NEAT bei einem Menschen angewendet werden kann, muss dieser Mensch die dafür erforderlichen Implantate haben.« Die Mienen seiner Zuhörer wurden noch verständnisloser, und Merlin seufzte. »Man muss sich das vorstellen wie … wie den Anschluss an einem Wasserschlauch, über den der Hafenmeister ihn mit den Wassertanks verbindet, um diese Tanks aufzufüllen. Das ist ein sehr, sehr kleiner … Mechanismus, will ich das jetzt einmal nennen, den man jemandem in einer echten Operation einpflanzt, bevor man diese Person mit einem NEAT verbinden kann. Shan-wei war in der Lage, Zherneau und die anderen mit diesem Wissen auszustatten, weil alle die ›Adams‹ und ›Evas‹ diese Implantate eben schon hatten. Auf Terra hat die jeder gleich kurz nach der Geburt erhalten. Aber hier auf Safehold hat niemand so etwas. Solange ich also nicht den Anschluss habe, mit dem ich diesen ›Schlauch‹ verbinden könnte, kann ich dieses Wissen nicht einfach in irgendwelche Köpfe hineinströmen lassen.«
»Es betrübt mich zutiefst, das zu hören«, gestand Mahklyn. Merlin blickte zu ihm hinüber, und der Doktor lachte rau. »Die Texte zu lesen, von denen Ihr für
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