Die Flotte von Charis - 4
gesagt habe, hat Allayn doch ganz recht mit seiner Vermutung, diese ›Freibeuter‹ seien in Wirklichkeit eigens dafür angefertigte Schiffe der Flotte, ausgestattet mit der besten charisianischen Artillerie. Ich darf Ihnen ins Gedächtnis zurückrufen, dass wir hier von einer Art der Artillerie sprechen, die zu kopieren uns immer noch nicht gelungen ist, sodass wir sie nicht auf unseren eigenen Schiffen einsetzen können. Ich bin der Oberste Schatzmeister von Mutter Kirche − ich weiß, wie kostspielig unser Programm zur Wiederbewaffnung ist, und das bedeutet auch, dass ich zumindest ein gewisses Gespür dafür habe, in welchem Ausmaß die Charisianer investieren müssen, um Artillerie in der Stückzahl zu fertigen, die ihre Flotte erfordert. Doch obwohl deren Navy ganz offenkundig mehr und mehr Kanonen benötigt, gesteht Cayleb irgendwelchen Freibeutern ebenfalls Zugriff auf die bereits gefertigten Waffen zu. Das lässt darauf schließen, welche Bedeutung er und seine Ratgeber diesem Vorgehen der Freibeuter beimessen. Und ich darf noch einmal auf meine Rolle als Oberster Schatzmeister von Mutter Kirche hinweisen: Ich habe auch einen besseren Überblick über die … eher indirekten Konsequenzen als Sie.«
»Dann klären Sie uns doch auf!«, verlangte Clyntahn fast schon grollend.
»Allayn ist wahrscheinlich besser dazu in der Lage als ich, etwas über die Konsequenzen auszusagen, die das Vorgehen dieser Freibeuter auf unser eigenes Schiffsbauprogramm hat«, gab Duchairn zurück, »aber ich weiß bereits, dass die Angriffe der Charisianer für sie mehr als nur ›lästig‹ waren. Viele der Teile, die zum Bau unserer neuen Galeeren erforderlich sind, werden üblicherweise auf dem Seeweg transportiert, Zhaspahr. Sparren, Masten, Spantenwerk, Artillerie, Anker − alles, das schwer oder massiv oder einfach nur groß ist und nicht in der unmittelbaren Nähe der Werften bereitgestellt werden kann, muss eigens herbeigeschafft werden − und jeglicher Versuch, derartige Lasten über Land zu befördern, selbst wenn ein Überlandweg existieren sollte, ist ein einziger Albtraum. Wenn es sich nicht auf dem Seeweg transportieren lässt, dann explodieren die Kosten, und die Bauzeit verlängert sich ungemein.
Aber es gibt noch andere, ungleich direktere Konsequenzen: Wenn es den Charisianern gelingt, die Handelsflotten ihrer Feinde aufzureiben − und eine Situation zu schaffen, in der die noch überlebenden Händler sich in ihren Häfen verschanzen, statt in See zu stechen, dann hat das genau die gleiche Wirkung wie sämtliche gegnerischen Handelsschiffe zu kapern oder zu versenken −, dann wird die Wirtschaft sämtlicher betroffenen Reiche schwere Schäden erleiden. Selbst mit unseren Schatzkisten sind wir auf Dauer nicht in der Lage, unbegrenzt die Zuschüsse und Darlehen zu gewähren, um genau diese Art von Schäden abzuwenden. Und wenn die Wirtschaft leidet, dann werden auch die Zehnten, die der Schatzkammer zustehen, deutlich schrumpfen − und das wiederum wird letztendlich auch für unsere eigene finanzielle Lage ernstliche Konsequenzen haben.
Gleichzeitig werden die Schäden, die diese Charisianer anrichten, langfristig auch den Bewohnern jener Reiche nicht entgehen, die sich nicht gerade aktiv im Krieg mit Charis befinden. Wir alle haben uns immer wieder darum gesorgt, inwieweit wir uns auf Siddarmark letztendlich verlassen können. Nun, wenn die Leute dort sehen, dass die Feinde von Charis einer derartigen Zerstörung anheimfallen, dann wird sie das noch mehr von dem Gedanken abbringen, sich selbst den Reihen eben dieser Feinde anzuschließen … die werden sich eher auf die Seite der Freibeuter schlagen! Abgesehen davon bezweifle ich, dass jemand wie Greyghor Stohnar wirklich todunglücklich darüber sein würde mitzuerleben, wie der Handel seiner Rivalen zusammenbricht. Schließlich kann er, wenn deren Handelsflotten immer weiter verkleinert werden, die seine vergrößern, um diese frisch entstandene Lücke auszufüllen.«
Selbst Clyntahn hörte nun aufmerksam zu, und Zahmsyn Trynair lehnte sich in seinem Sessel zurück. Es gab Zeiten, in denen er diese anscheinende ›Wiedergeburt‹ von Duchairns persönlicher Frömmigkeit als äußerst zermürbend empfand. Diese neu entdeckte Bereitschaft des Schatzmeisters, ›auf Gott zu vertrauen‹ und Diskussionen über Politik und Planungen mit Zitaten aus der Heiligen Schrift und den Kommentaren zu würzen, mochte seiner Gelassenheit ja zuträglich sein, aber
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