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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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«
    » Ja. «
    » Wie ich sehe « , fuhr Crispin fort, nicht weiter auf Konrads Verschwinden eingehend, » befinden sich noch zwei weitere eurer Leute in einem sehr schlechten Zustand. «
    » Ja, der bislang so unerschütterliche Wilhelm, und Fritz, unser Jüngster. Auch sie haben die Beulen und das Fieber. Sie werden sterben, jetzt, da wir wieder an die Luft gesetzt wurden und ihnen die nötige Ruhe zum Genesen fehlt « , antworte Ulrich bitter.
    Crispin nickte traurig: » So wird es sein, fürchte auch ich. Es ist eine schreckliche Pest, mit der ihr es zu tun bekommen habt, guter Mann. Meidet den Hauch der Kranken, aber lasst sie nicht im Stich. Betet zu Gott, dass die Geißel an euch Übrigen vorübergeht. Mehr kann man nicht tun. «
    Damit erhob Crispin sich, klopfte Ulrich noch einmal auf die Schulter und ließ diesen auf der Mauer sitzen, während er selber langsam zu den anderen Mitgliedern der Gruppe ging, um einen Blick auf die beiden kranken jungen Männer zu werfen, die mittlerweile schwer atmend und mit verdrehten Augen im feuchten Staube lagen. Um den einen der beiden, einen kräftigen Burschen, kümmerte sich ein weinendes Bauernmädchen, um den anderen, ein halbes Kind noch, das alte, kleine Weib.
    Crispin hockte sich zu ihnen und untersuchte sie. Es dauerte nicht lang, und er hatte festgestellt, dass für beide Kranke keine Hoffnung mehr bleiben würde. Nicht nur die schwarzen Beulen waren an ihren Hälsen zu sehen, nein, ihre ganze Haut hatte sich bereits dunkel verfärbt. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Blut im Innern des Körpers aus seinen gewohnten Bahnen geraten war und gewiss nie wieder dorthin zurückfinden würde. Man könnte sich im Grunde gleich daran machen, in dem nahen Wald zwei tiefe Gruben auszuheben.
    » Wie viele hat sich der Schwarze Tod schon geholt? « , krächzte plötzlich das alte Weiblein neben ihm, während Crispin den Hals des nun bewusstlosen Wilhelm abtastete.
    » Gewiss Tausende « , gab Crispin zurück. Ein seltsames Mütterchen war das. Winzig klein war es, als sei es geschrumpft, zudem so runzelig und auch so braun wie ein Apfel aus dem Vorjahr, den man in der dunklen Vorratskammer übersehen hatte. Doch ihre Augen leuchteten und zeugten von einem äußerst wachen Verstand.
    » Ihr seid auch einer von denen, die den Tod mit sich gebracht haben « , stellte sie sodann ungerührt fest, was durch Crispins Leib einen eiskalten Schauer jagte.
    » Woher weiß sie…? « , fragte er bleich und erstaunt.
    Sie zuckte nur mit den Schultern und wandte sich wieder dem noch stöhnenden Fritz zu, der gewiss nicht mehr als hundert Atemzüge in diesem Erdenleben vor sich hatte.
    Crispin besann sich und begann zu beten. Er kniete sich nieder, und der Rest der Gruppe tat es ihm gleich. Selbst der humpelnde Bauer kam nun zu ihnen, auch Regino und sogar die Alte falteten ihre Hände zum Gebet. Lange saßen sie dort und sprachen dem Ordensritter die lateinischen Psalmen nach. Adelheid und Anna, die beiden ungleichen Mädchen, hielten sich an den Händen und weinten leise, doch alle Übrigen blieben ruhig und andächtig. Die Sonne senkte sich langsam über die Klosteranlage, von der sie nun ausgeschlossen waren. Bald verschwand sie hinter dem mächtigen, steinernen Haus, und als habe der Herrgott den beiden Sterbenden ebendieses letzte Licht noch schenken wollen, schloss zunächst Wilhelm und wenig später auch Fritz kurz nach Sonnenuntergang für immer die Augen.
    » Vielleicht kannst du mir sagen, wo ich nach meinem Mitbruder suchen soll. «
    Marie fuhr zusammen. Den Morgen nach der letzten traurigen, bitterkalten Nacht hatten sie allesamt in stummer Beschäftigung verbracht. Niemand hatte ein Wort gesprochen. Nicht einmal Regino. Begraben waren Wilhelm und Fritz bereits in einem nahen Hain, Bruder Crispin hatte eine kurze Andacht gehalten. Nun waren sie damit beschäftigt, ihre gestern rasch zusammengesuchten Habseligkeiten für die Weiterreise zu packen. Die Nonnen waren so gut gewesen, ihnen einen ganzen Korb mit Proviant, aber auch Heilkräutern hinauszuschicken, sodass sie zumindest für die nächsten Tage nicht Hunger leiden mussten. Dennoch war niemand in Aufbruchstimmung, aber auch niemand wollte bleiben. Sie alle befanden sich in einem Zustand völliger Umnachtung und fürchteten sich in den etwas heller werdenden Momenten vor dem Aufwachen.
    Marie war soeben damit beschäftigt, das Eselchen zu bepacken, als die Stimme des Ritters sie aus ebendieser Umnachtung riss.

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