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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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fortsetzen, bevor die Gräfin Adelheids Vater über das Auffinden der entflohenen Tochter in Kenntnis setzen konnte?
    Wieso nicht weiterhin dieses Wagnis eingehen?
    Was hatte sie noch zu verlieren, wenn sie weiterging?
    Nichts.
    Was hätte sie zu verlieren, wenn sie wieder in ihr altes Leben zurückkehrte?
    So vieles.
    Adelheid lächelte die Gräfin an. Sie hatte in diesem Moment einen Entschluss gefasst, einen kühnen Entschluss.
    Im gleichen Augenblick öffnete sich die schwere Eichentüre des Saales, und ein in einen glänzenden Harnisch gekleideter Wachmann trat, sich verneigend, ein. » Das Mädchen aus dem Wald ist geborgen worden, hohe Frau. «
    » Sie lebt? « , rief Adelheid gelöst aus.
    Doch der Wachmann zuckte nur traurig mit den Schultern, was die Gräfin Mathilde nicht davon abhielt, freudestrahlend aufzustehen und zu sagen: » Oh, welch glückliche Nachricht. Führe er das Fräulein Adelheid zu der Bettstatt ihrer kranken Magd und schicke er mir danach umgehend den Schreiber Vogelbein in mein Privatgemach. «
    Wieder verneigte sich der Wachmann vor seiner Herrin und blickte dann mitleidig zu Adelheid herüber, die ihm mit entsetzter Miene entgegenschritt, um ihm stumm nach draußen zu folgen.
    » Pass auf, dass dir das Vögelchen nicht entwischt « , wollte Mathilde ihrem Dienstmann noch mit auf den Weg geben, unterließ es aber: Solch ein einfältiges, frommes Ding wie das anmutige Fräulein Adelheid war gewiss nicht imstande, mutterseelenallein durch fremde Lande zu streifen. Sie würde es gewiss vorziehen, freiwillig hierzubleiben und sich weiter über Konrad von Tiefenbrunn und dessen Machenschaften ausquetschen lassen wie eine überreife Frucht.
    Sobald die schwere Türe hinter Adelheid und dem Wachmann geschlossen war, lehnte Mathilde sich zufrieden in ihrem schweren Stuhl zurück. Die fad und dröge beginnende Geschichte hatte tatsächlich eine sehr spannende Wendung genommen.
    Der flüchtige Kreuzritter war wieder aufgetaucht.
    Und Mathilde hatte in Erfahrung gebracht, wohin sich dieser Strolch mit großer Wahrscheinlichkeit auf seiner Flucht begeben würde.
    Das war eine Information, die ihren ältesten Bruder, den Grafen Gernot von Topfen, der noch immer den schmählichen Tod seines einzigen Sohnes Roderich beklagte, sehr beglücken dürfte.
    Sie würde umgehend ein Schreiben an den Bruder aufsetzen und noch heute einen Boten zu ihm aussenden.

XXXI
    D er Sommer des Schicksalsjahres 1348 neigte sich dem Ende zu, die Bäume färbten sich bunt, der Wind nahm zu und mit ihm der Regen, welcher den ganzen Sommer über ohnehin ein ständiger Begleiter der Reisenden gewesen war.
    Konrad, Regino, Johann und Marie waren nur schleppend vorangekommen. Der Holzspeer der wütenden Bauern hatte sich zwar nicht tief in Johanns Bein gebohrt, doch beim eigenhändigen Herausziehen waren einige Splitter im Fleisch zurückgeblieben und hatten zu einer bösen Entzündung geführt. Marie hatte ihr Bestes getan, den Burschen zu versorgen, aber das Fieber blieb nicht aus. Zum Glück war es ein gewöhnliches Fieber und nicht ein solches, welches mit dem stets tödlichen Wundbrand einherging, und auch keines, welches sich als Vorbote der bösen Beulen herausstellte, die sie alle so fürchteten. Angetrieben von dem Willen, Adelheid wiederzufinden, von der Johann hoffte, sie sei vor der aufgebrachten Meute geflohen und nun mit Maja und den beiden anderen Überlebenden auf dem Weg ins Altvatergebirge, biss der junge Mann die Zähne zusammen und war nach wenigen Tagen wieder auf den Beinen. Dennoch mussten sie seinetwegen häufig rasten, denn immer wieder löste sich der Verband, und die Wunde begann erneut zu bluten oder gar zu eitern.
    Die Elbe– der Fluss, hinter welchem sie eine neue Welt erwarteten– lag bereits hinter ihnen, auch die Neiße war überquert, woraufhin sie ins Böhmische Gebirge, von manchen auch Riesengebirge genannt, vordrangen und damit endlich das Königreich Böhmen erreichten. Von der drohenden Pest hatte sich nach und nach jede Spur verloren; sprachen anfangs hier und da noch fahrende Händler oder Pilger davon, so wusste man, je weiter sie gen Osten wanderten, nichts mehr von dem großen Sterben, geschweige denn, dass es irgendwo an diesen Orten bereits um sich gegriffen hätte. Von Meile zu Meile wurde die Landschaft unberührter, die Dörfer kleiner und die Abstände zwischen ihnen größer. Marie hatte das Gefühl, plötzlich in eine Märchenwelt vorzudringen, so wunderschön und

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