Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
und um ehrlich zu sein, habe ich es auch immer sehr wohl verstanden, ihnen aus dem Weg zu gehen. «
Er lachte und schaute Marie leicht von der Seite an. In diesem Moment wirkte er wie ein kleiner Junge, spitzbübisch, aber dennoch unschuldig.
» Ja, in einem bin ich wirklich gut, Marie « , grinste er nun. » Ich bin ein Meister darin, mich aus dem Staube zu machen, wenn es unangenehm für mich wird. Weißt du, weshalb ich in den Orden eingetreten bin? «
Marie schüttelte den Kopf. Auch sie musste nun ein wenig lächeln. Es gefiel ihr ausgesprochen gut, mit ihm hier zu sitzen. So nah waren sie sich nie zuvor gewesen, nicht einmal in ihren innigsten Momenten.
» Wegen Irmgard zu Hohenfels. « Jetzt kratzte er sich etwas verlegen am Kopf und lächelte stumm in sich hinein.
» Wer ist Irmgard zu Hohenfels? « , fragte Marie.
» Sie war die Witwe eines Landgrafen unweit unserer Besitzungen. Der Graf war gestorben, ohne Erben zu hinterlassen. Mein Vater war sofort Feuer und Flamme, die Ländereien unserer beiden Familien zu verbinden. Sie hätten ein wunderbares Ganzes gebildet. Tja, und deshalb war er sehr angetan von meiner Bereitschaft, der Witwe Irmgard hin und wieder einen Besuch abzustatten. Ich war damals fast noch ein Knabe, jünger als Johann, und sie zählte fünfzehn Jahre mehr als ich. Doch das gereichte mir nicht zum Schaden. «
Er räusperte sich.
» Sie war dir also eine gute Lehrerin « , ergänzte Marie. Sie verstand sehr gut, was er sagen wollte.
» So ist es. Aber dann sollte es ernst werden, und plötzlich erschien mir die schöne Irmgard doch nicht mehr so verführerisch. Mein Vater, der schon alles in trockenen Tüchern wähnte, tobte vor Zorn, als ich ihm eines Tages unterbreitete, Jesus Christus sei mir im Traume erschienen und habe mir geradezu befohlen, das Kreuz zu nehmen. Das war natürlich eine Lüge, eine Ausflucht… «
» Ich verstehe. «
» So verließ ich die wütende Witwe. Diese tröstete sich alsbald mit meinem jüngeren Bruder, dem sie sogar vier Kinder gebar. Und ich ging ins Pruzzenland auf Heidenjagd. Zum Glück war die Wut meines Vaters alsbald verraucht, und er spendierte mir das teure Rüstzeug und auch die Handsalben, die notwendig sind, um in den erlauchten Kreis der Ordensritter aufgenommen zu werden. «
» Du bist also Ordensritter, weil du dich vor der Ehe fürchtest « , fasste Marie kurz und knapp zusammen.
» Nicht nur vor der Ehe, auch vor anderen Dingen bin ich davongelaufen. Ich bin ein Meister des Verlassens, und darum hocke ich nun hier, meines Standes verlustig, ehrlos und vogelfrei. Man sucht mich, weil ich einen hochedlen Jüngling, der vielmehr den Titel eines Schurken verdient hatte, auf dem Schlachtfeld liegen ließ, nachdem nicht der Feind, sondern ich ihn niedergehauen hatte. Er ist tot, hingerichtet von den Heiden. «
» Du wirst also verfolgt? « Marie war erstaunt. Längst hätte sie ahnen können, dass Konrad gewiss nicht allein aus Nächstenliebe mit ihnen ging. Auch er war auf der Flucht.
» Ja, ich bin ein Feigling. Ich sollte mich meinen Häschern stellen, ihnen entgegenreiten und sie zum Kampfe herausfordern, so wie es die Altvorderen getan hätten. Doch stattdessen verstecke ich mich und ziehe als schmutziger Pilger durch die Lande… «
» …in Begleitung unwürdiger Gestalten. « Marie meinte diesen Zusatz durchaus ernst.
Konrad kratzte sich erneut am Kopf. Zusammen schwiegen sie nun eine ganze, quälend lange Zeit, in welcher Marie wieder ein sehr ungutes Gefühl beschlich. Zu Recht, denn schließlich meinte Konrad leise:
» Ich würde auch dich gerne verlassen, Marie. «
Marie durchfuhr es in diesem Moment heiß und kalt zugleich, obwohl es sie nicht wundern durfte, was er da sagte, denn sie hatte es längst geahnt. Dennoch war die Gewissheit für sie nun ein schrecklich schmerzender Schock. Am ganzen Körper zitternd und frierend saß sie da und starrte auf die von dem Kerzenschein erhellte Kammerwand, an welcher eine riesige Spinne emsig in ihrem Netz damit beschäftigt war, eine noch zappelnde Motte einzuwickeln.
Sie spürte in der dumpfen Selbstvergessenheit, die sie umfing, gar nicht, dass Konrad sie plötzlich umarmte und ihren Kopf fest an seinen Hals drückte. Noch immer starrte sie zu der Spinne und zitterte. Auch dann noch, als er mit beiden Händen ihr Gesicht nahm und sie regelrecht dazu zwang, ihm in die Augen zu blicken, versuchte sie den Kopf abzuwenden.
» Ich kann nicht « , sagte er jetzt. Marie bemerkte
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