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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Nichts zwischen Schlesien und Mähren. Hier wurden die Pferde gewechselt, gerastet und Informationen ausgetauscht. Es war gewiss kein Räubernest, das dort unten im Regen lag, es war ein Ort, an dem ein gesuchter Mann wie Konrad durchaus dem einen oder anderen Gesetzeshüter begegnen konnte.
    Dennoch: Sie hatten seit Tagen nichts Richtiges mehr gegessen, kein trockenes Lager mehr gehabt, ihre Füße waren wund, all ihre Glieder müde, und zudem war Marie schwanger.
    Er drehte sich nach ihr um und schaute unwillkürlich auf ihren Bauch. Als sie seinen Blick bemerkte und ihn sanft anlächelte, richtete Konrad rasch den Kopf wieder nach vorn und sagte heiser:
    » Gehen wir. Dort kannst du dich ausruhen. « Lauter, und in Maries Ohren auch fröhlicher, rief er dann den beiden nun aufschließenden Männern zu: » Was ist, Burschen, gelüstet es euch nach einem Bier? «
    Reginos und Johanns Augen begannen wie vom Blitz getroffen zu leuchten. Erst jetzt erkannten sie, was da nur wenige hundert Schritte entfernt vor ihnen lag.
    » Zum Glück, Meister Ritter, habe ich Eure Silberlinge einst an mich genommen und sie wohl behütet « , rief Regino frech aus und zog nun einen durchaus schmal gewordenen Lederbeutel unter seinem Rock hervor. Es war tatsächlich der Beutel, den er Konrad in der Nacht an der Saale gestohlen hatte. Bislang hatte Regino es nicht für notwendig erachtet, ihn an seinen rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben, und tat dies auch jetzt nicht. Forsch setzte er sich stattdessen an die Spitze des bloß aus vier Leuten bestehenden Zuges und eilte in langen Schritten den breiten Weg ins Tal hinunter, wo ihnen allesamt bald der verführerische Duft gesottenen Fleisches in die Nasen stieg.
    Marie schreckte von dem Knarren der Türe hoch. Sie musste tief und fest geschlafen haben. Nur mühsam fand sie alle Sinne wieder: Dunkel war es, ein einziger Kerzenstumpf erleuchtete den holzgetäfelten, winzigen Raum, es roch nach beißendem Rauch, der von unten aus der beheizten Gaststube nach oben in die Schlafkammern zog. Eine knisternde, mit Stroh gefüllte Matratze spürte sie unter ihren nackten Beinen, in ihrem Mund haftete noch immer der bittere Geschmack von Erbrochenem, und die Stimme, die da leise zu ihr sprach, war die von Konrad.
    » Geht es dir besser? «
    Er stand nun vor ihrem Bett, einem grob zusammengezimmerten Kasten, der jedoch das bequemste Lager darstellte, in welchem Marie seit Jahren gelegen hatte. In der Hand hielt er einen dampfenden Holznapf.
    Marie nickte. Sie war noch immer benommen und erinnerte sich jetzt wieder, dass sie unten in der Gaststube zusammengebrochen war, nachdem sie eine Zeitlang verzweifelt in dem stickigen, überheizten Raum nach Luft gerungen hatte.
    » Ich habe dir Hühnerbrühe gebracht. Sie ist gar nicht schlecht. Hab schon davon gekostet. «
    Er hockte sich nun neben sie auf den knarrenden Bettkasten und holte einen Löffel aus seinem Gürtel hervor, den er an seinem Hosenbein säuberte. Dann begann er Marie zu füttern.
    Sie verspürte keinen Appetit und fürchtete, gleich wieder speien zu müssen, aber dennoch genoss sie diese zärtliche Geste. So nah waren sie sich lange nicht gewesen. Hatte er sich etwa besonnen?
    » Es tut mir leid « , sagte er nun, nachdem sie stumm die Schale geleert hatten.
    » Was? « Marie hätte ihn gern berührt, wenigstens seine Hand genommen, doch sie traute sich nicht. Zu sehr fürchtete sie sich vor dem, was er ihr womöglich zu sagen hatte. Es war nun also so weit. Er würde noch in dieser Nacht gehen und die von ihm geschwängerte Frau zurücklassen.
    » Ich bin ein unerfahrener Tölpel. Ein Haudrauf, der zudem glaubt, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Doch vom wahren Leben verstehe ich nichts. «
    Marie war überrascht.
    Was war das? Es klang ganz nach einer Beichte.
    Nun legte sie doch ihre Hand sanft auf seinem Knie ab und ermunterte ihn somit, weiterzureden. Endlich sprach er, durchbrach die feste Mauer, welche ihn ständig umgab, und zeigte mehr von sich. Endlich.
    » Es ist leicht, den starken Mann zu mimen, wenn man von Geburt an gelernt hat, mit Waffen umzugehen, edle Rösser zu reiten, gute Manieren an den Tag zu legen und sich vor niemandem fürchten zu müssen, weil man sich selbst mit den Größten auf Augenhöhe fühlt. Wirklich kämpfen musste ich nie. Köpfe eingeschlagen habe ich, Streiche eingesteckt, aber all das war nichts weiter als Zeitvertreib. Die wirklichen Prüfungen des Lebens blieben mir stets erspart,

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