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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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vielen schlaflosen Nächte, in denen sie nach bösen oder auch viel zu schönen Träumen immer wieder aus ihrem mühsam erreichten Dämmerzustand gerissen worden war, um danach, sich hin und her wälzend, den Morgen zu erwarten, zehrten an ihr. Vielleicht würde sie ja jetzt, wo ihr Bauch mit warmem Haferbrei gefüllt war und sie ein sicheres und trockenes Dach über dem Kopf wusste, eine Weile schlafen können. Gähnend kuschelte sie sich ein in ihr bereits sehr mitgenommenes, schmutziges Wolltuch und war tatsächlich im nächsten Moment tief und fest eingeschlummert.
    Es war ein Kitzeln an ihrer Wange, das sie zärtlich aufweckte. Eine sanfte, sehr schöne Berührung, die Marie zunächst in einen Traum von dem plötzlich zurückgekehrten Konrad einflocht. Da war er, wie der Prinz aus einem Märchen, der seine schlafende Geliebte wachküsste. Marie lächelte im Schlaf und räkelte sich wohlig. Sie ahnte, dass es nur ein Traumgespinst war, was sie da überfiel, aber es war so schön, dass sie sich verbot, aufzuwachen, sie wollte diesen Traum weiterträumen. Doch das Kitzeln in ihrem Gesicht wurde immer emsiger, und auch an anderen Stellen ihres Körpers spürte sie nun Berührungen, die so leicht, aber auch so wuselig zugleich waren, dass sie nicht mehr mit den zärtlichen Streicheleinheiten eines geliebten Menschen vergleichbar waren.
    Da war etwas. Und es hatte nichts mit Maries Traum zu tun. Da war wirklich etwas in der Hütte.
    Langsam öffnete sie ein Auge– und schreckte im nächsten Moment so hastig hoch, dass es ihr gefährlich im Bauch zog. Sogleich legte sie beide Hände darauf und streichelte sanft über die verspannte Stelle, unter der sie seit gestern leichte Bewegungen wahrzunehmen glaubte.
    » Bloß eine Ratte « , seufzte sie erleichtert, während sie das dreiste Tier grob von ihrem Lager stieß. » Müssen diese Viecher denn überall sein? «
    Noch immer benommen von dem tiefen Schlaf, aus dem sie gerissen worden war, legte sie sich zurück und schlummerte sofort wieder ein. Und wieder träumte sie. Sie träumte, zusammen mit Regino und Johann durch das Unterholz eines dichten Waldes zu gehen:
    Der Weg ist steil und mühsam, immer wieder rutscht sie aus. Doch das macht ihr nichts, denn nur noch wenige hundert Schritte, und es ist geschafft. Die Höhle, sie ist bereits zu sehen, und so, wie es in Träumen zu sein pflegt, erscheint sie Marie wunderbarer, als sie tatsächlich ist: Golden schimmert es aus ihr heraus. Sie bildet einen Lichtblick am Ende des langen, unwegsamen Tunnels, der sie über Geröll, Wurzelwerk und rutschiges Moos nach unten in die Schlucht führt. Marie beeilt sich. Ihr Bauch ist bereits kugelrund. Sie will die Erste sein, die dieses Ziel ihrer langen, traurigen Irrfahrt erreicht. Sie läuft, das warm leuchtende Tor vor Augen, sie rutscht aus, sie fällt, rutscht und bleibt an einem Busch hängen. Unsanft bohrt sich ein harter, spitzer Dornenzweig tief in ihren Bauch. Marie schreit auf.
    Und tatsächlich schrie sie auf. Laut und hörbar.
    Wieder nur ein Traum. Wieder nur diese elende Ratte, die sich an ihrem schlafenden Körper zu schaffen gemacht hatte. Marie machte die Augen auf, um das Vieh zu verscheuchen.
    Doch auf ihrem Bauch saß keine Ratte. Nein, dort war in der Tat so etwas wie ein spitzer Zweig, der sich in ihr Fleisch bohrte. Ein schmaler, glänzender Dolch war es. Maries leinenes, graues Unterkleid tränkte sich unter dessen Spitze bereits dunkel. Sie blutete.
    Schockiert und fassungslos starrte sie auf ebendiese Stelle. Sie regte sich nicht, sie atmete nicht, sie fühlte bloß furchtbare, lähmende Angst um ihr Kind. Nur langsam und ganz vorsichtig hob sie jetzt ihr Kinn, um in dem recht düsteren Raum auszumachen, wer es war, der soeben im Begriff stand, eine schwangere Frau aufzuschlitzen.
    » Du? « , flüsterte sie hinter trockenen Lippen. Ihr war schwindelig, sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe, doch sie durfte das Bewusstsein nicht verlieren. Sie musste bei Besinnung bleiben, sie musste sich wehren, am besten mit Worten, denn nur mit Worten konnte man diesem Unhold beikommen.
    Er lebte.
    Dabei hatte sie ihn doch sterben sehen.
    Ein Geist war er jedoch nicht, denn Geister waren nicht imstande, Blut fließen zu lassen.
    Nein, er hockte da als Mensch aus verrottendem Fleisch und faulendem Blut und grinste Marie an, während er die Spitze seines Dolches noch weiter gegen ihre Bauchdecke drückte. Marie versuchte ihre Muskeln anzuspannen, um sich gegen den

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