Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
Besitzer mittlerweile, auch wenn sie ihn, genau wie Marie es fatalerweise getan hatte, längst für tot hielten.
Marie stolperte hinaus in den Wald.
Fips zog sie durchaus sanft hinter sich her. Immer wieder streichelte er dabei ihre Arme, berührte fast schüchtern ihre Brüste und ließ Marie dabei erschaudern. Wenn er doch wüsste, wie widerlich er ihr war.
Erst gegen Abend erreichten sie einen verlassenen Stollen. Hier war noch bis vor wenigen Monaten nach einem der zahlreichen Bodenschätze dieser Gegend gegraben worden. Nun jedoch stand die Anlage verlassen, die Grube war erschöpft, aber die bescheidenen Behausungen der Arbeiter noch bewohnbar.
Ganz so, als handele es sich bei Marie um eine Kaiserin, ließ Fips sie an sich vorüber in eine der Hütten schreiten. Drinnen war alles vorbereitet. Er hatte offenbar genau geplant, sie hierher mitzunehmen. Der Tisch war gedeckt, es gab sogar Wein in edlen Krügen, silberne Teller und Becher standen auf weißem Tuch, ein kalter Braten verströmte seinen verführerischen Duft, daneben erkannte Marie Fladenbrote, verschiedenes Obst und Käse. Unwillkürlich lief ihr, obwohl sie glaubte, ihre Henkersmahlzeit vor Augen zu haben, das Wasser im Munde zusammen.
War dieser reich gedeckte Tisch schon herrlich anzuschauen, so bot die Bettstatt einen noch sehr viel einladenderen Anblick.
Weiße Laken und Federbetten, ja gleich mehrere Kopfkissen mit den farbenprächtigsten und weichsten Hüllen lagen darauf– es sah so aus, wie Marie sich die Bettstatt eines Sarazenenfürsten vorstellte.
Und das alles in einer alten Bergbauhütte.
» Freust du dich? « , fragte Fips nun. Er war hinter sie getreten und hauchte einen feuchten, schleimigen Kuss in ihren Nacken. Marie zog die Schultern hoch. Wieder nickte sie.
» Das habe ich alles nur für dich getan. Gesammelt habe ich es. Schon die ganze Zeit über habe ich nur die allerbesten Sachen zusammengesucht, um dir diese Überraschung zu bereiten. Doch es soll nur ein Vorgeschmack sein. Glaube mir, das Leben, welches wir sehr bald führen werden, meine Schöne, es wird noch ungleich prachtvoller sein. «
Marie hatte bemerkt, dass er sich, während er sprach, kurz fortbewegt hatte. Sie wagte jedoch nicht, sich umzudrehen. Verzweifelt dachte sie darüber nach, wie es ihr an diesem schaurigen Abend gelingen könnte, ihn zu überwältigen. Sie musste es versuchen, denn daran zu denken, ihr gemeinsames Leben mit diesem Mann wieder aufzunehmen, war ihr ein größerer Graus als der Tod.
Etwas Kaltes legte sich plötzlich von hinten um ihren Hals.
Eine Schlinge? Würde er sie nun erwürgen? Wieder zuckte Marie zusammen.
» Ein Geschenk für meine Königin « , hauchte er in ihr Ohr. Er musste sich recken, um schließlich mit seinen verrottenden Zähnen an dem Ohrläppchen der größer gewachsenen Marie zu kauen. Marie stöhnte auf, aber ganz gewiss nicht aus Lust. Sie könnte es nicht mehr lange ertragen, bald würde sie vor Angst und Abscheu zusammenbrechen.
» Setz dich doch! « , sagte er jetzt und führte sie zum Tisch. Die goldene, edelsteinbesetzte Kette hing schwer um Maries Hals, eine von einem Folterknecht angelegte Halsschraube hätte nicht schlimmer sein können.
Bedächtig und äußerst sorgfältig tat er ihr von den Speisen auf, ohne jedoch zu fragen, ob sie dies überhaupt wünschte. Dann schenkte er ihr von dem Wein ein, setzte sich ihr gegenüber und hob seinen eigenen Becher.
» Auf uns, mein Kind. Wir wollen an Vergangenes anknüpfen und vieles besser machen. Du weißt, Marie, dass wir zusammengehören. Du weißt es, nicht wahr? «
» Ja « , antwortete Marie heiser und wenig überzeugend. Doch das schien Fips nicht zu stören.
» Ich bin ein reicher Mann, wie du siehst. Und ich werde noch sehr viel reicher werden. Da kann ein dahergelaufener Mönchsritter mir nicht das Wasser reichen. Ist das Balg von ihm? «
Er trank einen kräftigen Schluck und deutete dann mit dem geleerten Becher auf Maries Bauch, auf den sich nun ihre gefesselten Hände schützend legten.
» Oh, ich Tölpel, du kannst ja gar nicht essen und trinken, mein Kind. Sei’s drum. Zu schön ist der Moment, als dass ich ihn trüben möchte, und das würde ich, wenn ich diese Fesseln löse. Ich werde dich füttern. «
» Iss nur zuerst. Ich habe keinen Hunger « , entgegnete Marie hastig, um die angedrohte Nähe zu vermeiden.
» Nicht weit von hier lagern Zigeuner. Es würde mich wundern, wenn man bei ihnen keine Engelmacherin findet « ,
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