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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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des Großen, eines ihrer holden Fräulein namens Liutgard raubte und nur unter großen Bußandrohungen wieder zurückgab. Ihrer Jungfräulichkeit– sehr wahrscheinlich freiwillig– verlustig gegangen und darum kein rechtes Klosterfräulein mehr, durfte die junge Liutgard jedoch alsbald zu ihrem Werner zurückkehren.
    Und was dem edlen, verwegenen Werner einst gelungen war, das sollte in diesem Jahre 1348 einem weiteren jungen Manne, weniger edel, dafür ebenso verwegen, noch einmal glücken. Doch dieser junge Mann, Johann war sein Name, ahnte, als er zusammen mit seinen Gefährten staunend das Stadttor von Quedlinburg durchschritt, noch nichts von dem hier auf ihn wartenden Glück.
    » Jetzt hör auf zu weinen und sprich endlich mit mir, Adelheid. «
    Die beiden jungen Frauen hatten sich in ihr sauberes, aber sehr kleines Kämmerlein im Damenstift zu Quedlinburg zurückgezogen. Es war die Zeit zwischen Non und Vesper, eigentlich versammelte man sich zu diesen Stunden in Stille und Andacht, um gemeinsam feinen Handarbeiten nachzugehen. Doch Adelheid war unwohl, blass sah sie aus, seit zwei Tagen hatte sie nichts essen können, und soeben war sie während des Gottesdienstes zusammengebrochen. Elisabeth, das Mädchen, mit dem Adelheid sich die Kemenate teilte, war sofort zu ihr geeilt und hatte die halb Ohnmächtige nach einem zustimmenden Nicken der Äbtissin aufs Zimmer begleitet, wo Adelheid sofort bitterlich zu weinen begann.
    Elisabeth war nicht unglücklich darüber, dass es ihrer Mitschwester und Freundin schlechtging. Nein, sie war sogar froh.
    Beide waren sie junge Frauen adeliger Herkunft, beide aus guten Familien, aber bei Weitem nicht aus solch angesehenen Geschlechtern wie denen, aus welchen die meisten der hier lebenden Frauen stammten. Keiner ihrer Vorfahren war jemals Kaiser, König oder Kurfürst gewesen. Elisabeths Vater war ein einfacher, aber land- und bauernreicher Herzog aus dem Norden, und Adelheids Familie gehörte bloß dem Ritterstand an, verfügte aber wegen eines bedeutenden Verwandten, welcher der Abt eines großen Klosters war, über genügend Einfluss, um die Tochter in diesem sehr erlauchten Stift erziehen zu lassen.
    Ihre verhältnismäßig niedrige Herkunft war es also, welche die beiden Mädchen vom ersten Tage ihrer Ankunft in dieser ummauerten Jungfernfestung zusammengeschweißt hatte. Doch abgesehen davon hatten sie nicht viel miteinander gemein. Während Elisabeth den Aufenthalt im Stift als einen kurzfristigen ansah, als eine Art Schutzhaft, um die Unberührtheit der zur Wildheit neigenden Tochter bis zu deren Vermählung zu garantieren, so ging Adelheid das Leben im Kloster mit sehr viel größerer Ernsthaftigkeit an. Ja, sie war gewillt, eines Tages den ewigen Schleier zu nehmen, niemals wieder die Mauern zu verlassen und das fromme Leben einer keuschen und mildtätigen Nonne zu führen.
    Ein solcher Gedanke wäre Elisabeth im Traume nicht eingefallen, und damit war sie hier nicht die Einzige. Ein großer Teil der Mädchen in diesem Stift wartete auf den Tag, an dem der betuchte Vater ihnen die Kunde brachte, dass sich ein mindestens ebenso betuchter Gemahl für die hier in Quedlinburg wohlerzogene Tochter gefunden habe.
    Elisabeth jedoch fehlte zum Warten die notwendige Geduld. Sie wollte fort, raus aus diesen engen Mauern, weg von der quälenden Schreibstube mit ihren langweiligen, frommen Schriften, weg von den zermürbenden Handarbeiten, Andachten, Gottesdiensten. Hinaus ins Leben wollte sie, und das lieber heute als morgen. Und darum war sie froh, dass es Adelheid schlechtging, denn das bedeutete, dass die Freundin nicht mehr glücklich war in diesem Gefängnis. Und wenn sie nicht mehr glücklich war, so würde sie sich gewiss endlich zur gemeinsamen Flucht überreden lassen.
    » Jetzt sag mir doch, was dich so sehr betrübt. Es hat gewiss mit dem Boten zu tun, der vor wenigen Tagen hier war. Habe ich recht? « Elisabeth kniete sich vor Adelheid auf dem nach Wachs duftenden, glänzenden Holzboden nieder und wischte ihr, die auf einem kleinen Hocker saß, mit der bloßen Hand die Tränen aus dem blassen, kindlichen Gesicht.
    » Es ist so weit. Mein Vater hat sich überreden lassen. Er hat ihm meine Hand versprochen « , schluchzte Adelheid plötzlich kaum vernehmlich.
    Unwillkürlich musste Elisabeth lächeln. Genau das hatte sie sich gewünscht, genau das war der einzige Grund, den es für Adelheid gab, um das Weite zu suchen. Das, was viele andere Mädchen hier

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