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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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und schwelgten, als stünde der Tag des Jüngsten Gerichts bevor und dies sei die letzte Mahlzeit ihres Erdenlebens. Selbst der zurückhaltende, fromme Crispin schlug gierig zu, ja, das Fett tropfte an seinem spitzen Kinnbart herunter, das Fleisch und das Kraut hingen in unzerkauten Fetzen zwischen seinen Zähnen, und der Wein floss gleich kelchweise in seinen Rachen.
    Konrad wurde ein wenig übel beim Anblick dieser Völlerei. Er wandte den Blick zur Seite ab, um nicht in Verlegenheit zu geraten, erneut von Brechreiz übermannt zu werden. Dabei fiel ihm auf, dass sein Tischnachbar, der junge Kumpan Friedrich, merkwürdig schweigsam geworden war und sich kaum mehr regte.
    » Was ist dir? Hast du dich überfressen? « , fragte Konrad ihn und stieß ihn mit dem Ellenbogen in die Rippen.
    » Durst « , murmelte Friedrich matt, woraufhin Konrad einen Diener herbeiwinkte, der beiden sogleich frischen Wein nachschenkte.
    » Wasser « , sagte Friedrich jetzt im gleichen, abwesenden Ton.
    » Wasser? « , fragte Konrad ungläubig. Welcher gestandene Mann trank Wasser, wenn er auch mit Wein seine Kehle benetzen konnte?
    » Wasser « , wiederholte Friedrich nun kläglich und sank im gleichen Moment mit dem Gesicht in die vor ihm aufgetischte Pastete.
    Noch bevor Konrad, der den Burschen nach wie vor lediglich trunken glaubte, diesem aufhelfen konnte, war auch schon der bis dato schwelgende Crispin zur Stelle. Hastig hatte er Schweinebraten und gefüllte Wachteln liegen lassen und war um die ganze Tafel herum zu Friedrich geeilt.
    » Du weißt, was ihm ist « , raunte er Konrad zu, ohne dass die anderen an der Tafel sitzenden Ordensleute dies hörten.
    » Unsinn. Leidest du noch immer unter diesem Wahn? « , erwiderte Konrad, doch musste er sich eingestehen, dass sein Zweifel an Crispins Vermutung nicht so groß war, wie er es sich gewünscht hätte.
    » Bringen wir ihn in seine Kammer « , forderte Crispin Konrad nun mit flehentlichem Blick auf.
    » Ja, gehen wir « , antwortete dieser jetzt einsichtig und griff seinerseits dem Bewusstlosen unter die Schultern.
    » Zu viel des guten Moselweins? « , fragte von Nellenburg vom Tischende aus, mit fröhlicher Miene auf Friedrich deutend.
    » Zu viel des guten Moselweins « , bestätigte Konrad, gezwungen lachend.
    Im Nu hatte Crispin Friedrich in der dunklen, engen Kammer die Kleider vom Leib gerissen und starrte nun auf die sich bildende Beule in der rechten Achselhöhle. Konrad stand fassungslos daneben.
    » Der Pesthauch verfolgt uns tatsächlich « , raunte er schließlich und setzte sich erschöpft auf die Bettkante zu dem Bewusstlosen.
    » Es war dein Hauch, Konrad « , antwortete Crispin, während er das heiße Gesicht Friedrichs mit einem nassen Tuch zu kühlen versuchte.
    Konrad blickte den alten Freund fassungslos an.
    » Mein Hauch? Willst du sagen, es sei meine Schuld, dass der Junge leidet? «
    » Nein. Aber du hast das Übel an ihn weitergegeben. «
    » Was? Die Pest? Das kann nicht sein. Du hast es selbst gesehen, sie kann mir nichts anhaben. Sie ist machtlos gegen mich. Ich habe sie überlebt. «
    Konrad erhob sich nun und baute sich vor dem noch immer an der Bettstatt sitzenden Crispin auf. Er war wütend und gleichzeitig verzweifelt. Was, wenn es stimmte, was der erfahrene Gefährte da andeutete?
    » Das bedeutet nicht, dass sie nicht an dir haftet. An dir oder auch an deinen Kleidern. Friedrich hat ihn geflickt, nicht wahr? «
    » Was hat er geflickt? «
    » Deinen Mantel. Er hat ihn geflickt. Gestern, kurz bevor wir Mergentheim erreichten. Du hast den Jungen darum gebeten, es zu tun, weil wir anderen so etwas nicht können. «
    » Was hat dieser verdammte Mantel damit zu tun, dass der Junge nun fiebert? Selten habe ich solch ein dummes Weibergeschwätz vernommen « , herrschte Konrad seinen Freund an und wäre ihm fast an die Gurgel gegangen, als der junge Friedrich sich zu regen begann.
    » Er erwacht « , sagte Crispin, unbeeindruckt von dem Wutausbruch Konrads. Es war nicht das erste Mal, dass er diesen so rasend erlebte. Ein derartiges Betragen war Teil von Konrads Persönlichkeit und Crispin durchaus vertraut. Dieser wusste, dass es die uneingestandene eigene Schwäche, oder besser Weichheit war, welche den Freund häufig jähzornig werden ließ. Denn Konrad erschien– und das hätte Crispin niemals gewagt, ihm ins Gesicht zu sagen– nur äußerlich wie ein unerschütterlicher Kämpfer, innerlich war er sanfter als manch ein Burgfräulein. Und um dies zu

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