Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
verbergen, betrug er sich nach außen mitunter besonders harsch.
» Ich werde hinüber in den Krankenflügel gehen, um Salben und Umschläge für ihn zu besorgen. Gibst du auf ihn acht? « , fragte Crispin, Konrad beruhigend auf die Schulter klopfend.
» Ja « , brummte dieser leise und blickte verlegen zu Boden. » Mach ich. «
Crispin blieb lange fort, zumindest gewann Konrad den Eindruck, dass er lange fortblieb. Es war entsetzlich für ihn, mit einem Sterbenden allein zu sein, einem Sterbenden, an dessen baldigem Tod er sich schuldig fühlte.
Zahllose Menschen hatte Konrad bereits sterben sehen, und zahllose hatte er selbst zu Tode befördert. Er hatte in der blutigen Schlacht von Crécy an der Seite des blinden Königs Johann von Böhmen gegen die weit überlegenen Engländer gekämpft, und auch in den sechzehn Jahre währenden Auseinandersetzungen des Ordens gegen den König von Polen war er manches Mal tapfer und auch gnadenlos dabei gewesen– ganz zu schweigen von den mitunter wenig ruhmreichen Zügen gegen die Litauer. Bei all diesen Gelegenheiten war erbittert gekämpft und getötet worden. Es war jedes Mal kräftezehrend und schmerzhaft, ging aber dennoch wie im Fluge vorüber. Selbst dann, wenn eine Schlacht einen ganzen Tag in Anspruch nahm, spürte Konrad nie die Zeit, er handelte wie im Rausch, wenn er austeilte, einsteckte, verfolgte oder auch hin und wieder floh. Doch jetzt war er gefesselt, er fühlte sich wie gefangen am Rande dieser Bettstatt sitzend, kam sich vor wie ein reuiger Sünder, dazu verdammt, quälend lang mitansehen zu müssen, was er angerichtet hatte.
Er sollte also Schuld daran tragen, dass dieser junge, hoffnungsfrohe Bursche nun einem solch unrühmlichen Tod entgegenging?
Das konnte nicht sein.
Das durfte nicht sein.
» Bist du es, Bruder Konrad? « Die schwache Stimme Friedrichs riss ihn nun aus diesen selbstsüchtigen Gedanken.
» Ja, der bin ich. Ich bin bei dir. «
» Es geht zu Ende mit mir. « Friedrich lächelte sogar leicht bei diesen Worten.
» Nein. Nur ein Fieber. Bruder Crispin sorgt für Arznei, er ist gleich zurück « , wiegelte Konrad ab.
» Meine Schwester. «
» Deine Schwester? «
» Adelheid. Sie lebt im Frauenstift zu Quedlinburg. «
» Was ist mit ihr? « Konrad griff nach der schweißnassen Hand des Jungen. Er schien im Fieberwahn zu sein und wusste nicht mehr, was er sprach. Wieso sonst redete er in diesem Moment ausgerechnet von seiner Schwester?
» Sie weiß es noch nicht, aber Vater hat über sie entschieden. «
» Was hat er entschieden? «
» Sie soll verehelicht werden. Das Schwein soll sie nun doch zur Frau nehmen dürfen. Ich muss das verhindern, aber ich werde es nicht mehr können. «
Konrad wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Verunsichert griff er nach dem feuchten Tuch und tupfte Friedrich die Stirn.
» Hol sie raus aus dem Stift. Bring sie fort in ein anderes Kloster. Er darf sie nicht anfassen, dieser Dreckskerl. Versprich es mir. Sie ist eine Blume, ein Schmetterling. So zart, so verletzlich. Sie will rein bleiben, und sie muss rein bleiben. Vater versteht das nicht. Aber ich habe sie immer verstanden. Wir sind Zwillinge. «
Bei diesen Worten richtete Friedrich sich in seinem Lager auf. Ein seltsamer Glanz lag in seinen Augen, er wirkte plötzlich noch jünger, als er war. Wie ein kleines Kind erschien er Konrad, wie ein Engel, ein unschuldiger Engel. Konrad überlief am ganzen Körper eine Gänsehaut.
» Ich hatte eine schöne Kindheit « , begann Friedrich mit verklärtem Blick, doch mehr sagte er nicht, denn plötzlich begann er schrecklich zu beben und zu zittern.
» Leg dich zurück. « Konrad war mit der Situation überfordert, er wünschte sich den sensibleren, in solchen Dingen erfahreneren Crispin herbei, der in seiner Spitalzeit schon so manchen vom Tode Gezeichneten betreut hatte. » Leg dich zurück « , wiederholte er verzweifelt, als sich Friedrichs Zustand noch zu verschlimmern begann. Dann griff er nach dem zuckenden Leib und presste ihn in die Laken. Mit beiden Händen hielt er das Gesicht des Jungen und beugte seinen eigenen Kopf so dicht zu diesem, dass sich ihre Nasenspitzen berührten.
» Ich hole deine Schwester raus aus dem Stift. Sie wird diesen Mann nicht heiraten müssen. Das verspreche ich dir! «
» Ich danke dir, Bruder! « , hauchte Friedrich.
In diesem Augenblick kehrte Crispin zurück in den Raum, er hielt einen ganzen Korb mit Kräutern, Tiegeln und Tüchern in Händen.
» Ist
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