Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
ersehnten, die Erlösung durch eine Heirat, kam für die fromme Adelheid einer Katastrophe gleich. Zumal es sich bei dem Herrn, der schon seit Jahren um sie warb, um alles andere als einen lieben, guten Mann handeln sollte.
» Ist es jener, von dem du mir erzählt hast? « , fragte Elisabeth.
Adelheid nickte und schluckte ihre Tränen herunter. Die Mädchen waren im gleichen Alter, beide hatten sie zu Anfang des Jahres das achtzehnte Lebensjahr erreicht, aber während aus Elisabeth längst eine Frau geworden war, so wollte das Kind in Adelheid einfach nicht verschwinden, nicht aus ihrem Gesicht und erst recht nicht aus ihrem so unschuldigen, so verletzlichen und schutzbedürftigen Herzen. Es war einem jeden, der dieses Mädchen sah, ein Bedürfnis, es gern zu haben und es vor allen Gefahren zu behüten.
» Er ist uralt, zudem ein Betrüger und Bauernschinder. Meine Familie hasst ihn, aber dennoch… Pfui, ich darf gar nicht daran denken « , antwortete Adelheid noch immer unter Tränen.
Doch als Elisabeth plötzlich zu lachen begann, musste auch sie lächeln, was ein wenig Farbe auf ihre kreidebleichen Wangen zauberte.
» Pfui Teufel, du hast recht. Wie alt ist er denn? « , fragte Elisabeth.
» Älter noch als mein Vater. «
Elisabeth schüttelte sich.
» Und wann holen sie dich ab? «
» Schon bald. Zu Pfingsten soll bereits das Hochzeitsfest sein. «
» Mhmmm « , machte Elisabeth und legte nachdenklich einen Finger auf ihre geschlossenen vollen Lippen. Längst wusste sie, welchen Vorschlag sie der Freundin unterbreiten wollte, aber besser war es, ihr den Eindruck zu vermitteln, dass ihr dieser Gedanke jetzt erst gekommen sei.
» Ich glaube, liebe Adelheid, du solltest unter diesen Umständen tatsächlich so schnell wie möglich zu den Klarissen wechseln. «
» Das sagst ausgerechnet du? « , fragte Adelheid ungläubig.
Elisabeth machte niemals einen Hehl daraus, dass ihr gottesfürchtiges Leben nur vorgetäuscht war, und darum hatte sie bislang auch wenig Verständnis für Adelheids Schwärmereien von einem Leben als Nonne in einem schlichten Haus der franziskanischen Bettelschwestern gezeigt. Es war schon schlimm genug, in einem Stift unter der ständigen Kontrolle einer strengen Äbtissin zu leben, aber immerhin gab es hier reichlich zu essen, und man musste auch sonst nicht auf irdischen Luxus verzichten, aber in einem Bettelorden… nein, das wäre für Elisabeth der Hölle gleichgekommen.
Nicht so für Adelheid. Sie war begeistert von dem Leben des heiligen Franziskus und von dem Mut der Klara von Assisi. Unaufhörlich sprach sie davon, und selbst die Bibliothekarin, Schwester Irmingard, war schon ein wenig ungehalten, belästigte die gute Adelheid sie doch unaufhörlich mit ihrem Bitten und Betteln, ihr die im Stift vorhandenen Handschriften zu den Lehren der armen Brüder und Schwestern zu geben. Es lag nicht im Sinne des Stiftes, die Seelen der hier lebenden adeligen Töchter und betuchten Witwen mit den halbketzerischen Idealen herumstreifender Bettelmönche in die Irre zu führen. Aber Adelheids Begeisterung war nicht zu bremsen, das wusste Elisabeth, und darum wusste sie auch, dass die Hoffnung auf diesen Ausweg aus der für Adelheid schwierigen Lage eine gute Möglichkeit darstellte, die Freundin endlich zur Flucht überreden zu können.
» Nun ja, besser bei den armen Schwestern als in den Armen eines widerlichen Greises, oder etwa nicht? « , antwortete Elisabeth keck, während Adelheid erneut ein Schauer über den Rücken lief und sie wieder ganz blass wurde. Allein der Gedanke daran, was sie in der Nacht nach dem Hochzeitsfest erwarten könnte, ließ sie auf ihrem Schemel so sehr schwanken, dass sie hintenübergefallen wäre, hätte die Freundin sie nicht an den Schultern gehalten.
» Du musst fort von hier. Das ist deine Bestimmung, Adelheid. Gott will es so, glaube mir « , flüsterte Elisabeth ihr nun verschwörerisch ins Ohr. » Ich werde dich begleiten. Wir gehen zusammen zu den Klarissen, auch wenn ich dir nicht versprechen kann, ob auch ich die Pforte der armen Schwestern dann passieren werde. «
In Adelheids bislang matten, grauen Augen ging plötzlich etwas vor sich. Elisabeth gewann den Eindruck, die Freundin schaue durch sie hindurch, ein Glitzern, Funkeln, Strahlen sprang ihr förmlich entgegen. Fast schien es, als habe Adelheid eine Vision, als sei sie eine von diesen so sehr geachteten Mystikerinnen, von denen Elisabeth glaubte, dass allein die bittere Klausur und
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