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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Anna « sagte und dafür eine deftige Maulschelle erhielt, vernahm Johann nicht. Er ging wie auf Wolken, sein Geist war in Gefilde entschwunden, die ihm bislang nicht einmal zur Andacht an Weihnachten eröffnet worden waren.
    » Johann ist also verliebt « , meinte Marie, als Maja sich nach einer Weile zu ihr gesellte. Marie war soeben vor ihrem Verschlag damit beschäftigt, den Esel zu bürsten.
    » Blind vor Liebe ist er. Blind im wahrsten Sinne des Wortes, denn er hat die Angebetete bislang nicht ein einziges Mal gesehen. Ihr liebliches Kichern habe er lediglich vernommen. Aber vielleicht hat sie ihn auch einfach ausgelacht. Denn anstatt eines weichen Tuches, wie es in den Minneliedern üblich ist, hat sie ihm spitze Kieselsteine zugeworfen. Ich weiß nicht, Marie, ob man unseren armen Johann zum Besten halten will. Solch feine, verwöhnte Dinger werden in ihren goldenen Käfigen gewiss vor Langeweile vergehen, da kommt doch ein tumber Bauerntölpel, mit dem man sein Spiel treiben kann, gerade recht. «
    » Was hat sie geschrieben? « , fragte Marie neugierig.
    Maja lachte: » Er soll sie holen. Angeblich gibt es da eine Luke, über die der Unrat aus dem Kloster befördert wird. Es sei schwierig, sie zu öffnen, doch mit einer Säge und etwas Mühe sollte es ihm gelingen, den festen Riegel zu zerstören. Dabei müsste unser armer Johann die ganze Nacht in beißender Jauche und stinkendem Abfall stehen. Derart appetitlich duftend soll er sich dann auf dem Hof hinter dem Brunnen verstecken, bis es dem Fräulein und ihrer Freundin– es sind nämlich zwei– gefällt, ihr sauberes, warmes Bett zu verlassen und mit ihm durch die Unratluke hinaus in die Freiheit zu schlüpfen. Das ist alles. «
    Marie war erstaunt.
    » Und wann soll er beginnen? « , fragte sie.
    » Er sitzt bereits auf heißen Kohlen, wartet nur noch auf dich « , antwortete Maja amüsiert.
    » Auf mich? «
    » Du sollst ihn des Anstands halber begleiten, damit die beiden frommen Jungfrauen Vertrauen schöpfen und ihn nicht für einen Lüstling halten, der in Freiheit sofort über sie herfallen wird. Es war sein Einfall, dass du mitkommst. «
    Marie schmunzelte, rieb sich die grauen Eselshaare von Rock und Händen und ging hinaus zu dem tatsächlich fast vor Ungeduld und Aufregung platzenden Burschen, der bereits eine nicht sehr große, aber scharfe Säge in den Händen hielt.
    » Woher hast du die denn? « , fragte Marie, hakte sich bei ihm unter und zeigte ihm somit an, dass sie ihn gern begleitete.
    » Weiß nicht, Regino hat sie besorgt « , stotterte Johann. Plötzlich war er zögerlich, und Marie musste ihn ein wenig anstoßen, damit er wieder den Antrieb fand, seinen durchaus verwegenen Plan durchzuführen.
    Es ging schneller als gedacht.
    Die Luke erwies sich als äußerst instabil. Offensichtlich diente sie längst auch anderen als heimlicher Ein- und Ausgang zu dem Damenstift und wurde so häufig genutzt, dass man es nicht einmal für nötig befand, sie des Nachts zu verriegeln. Marie und Johann standen also schon lange vor Mitternacht auf dem riesigen, blanken und von einem trüben Halbmond beschienenen Innenhof der mächtigen Festung, welche über viele Jahrhunderte bereits unzählige zarte Jungfrauen und fromme Witwen vor wilden Eroberern beschützt hatte.
    » Keine Menschenseele « , flüsterte Marie.
    » Nicht einmal ein Nachtwächter « , gab Johann zurück, der sich mit großen Augen in der Dunkelheit umsah. Er zitterte und fürchtete mehr noch als die Hellebarde eines Nachtwächters die Schatten zweier junger Frauengestalten, die jeden Moment auftauchen konnten. Am liebsten wäre er durch den widerlichen Morast, durch welchen sie soeben gestapft waren, zurück in die Stadt gelaufen. Und ebendas versuchte er nun auch, denn urplötzlich wandte er sich um und wollte davoneilen, als Marie ihn rasch an seinem löchrigen, grauen Rock packte und zurück zum Brunnen zog.
    » Keine kalten Füße bekommen, Johann. Was man beginnt, muss man auch vollenden « , zischte sie ihm belustigt zu.
    » Warte du auf sie und bring sie dann mit « , flüsterte er und wollte schon wieder Reißaus nehmen, doch Maries Griff war fest.
    » Hasenfuß « , raunte sie ihm zu und gab ihm einen freundschaftlichen Klaps in den Nacken.
    » Was, wenn sie mich nicht mag? «
    » Es sind ihrer zwei. Eine von beiden wird dich schon mögen, du bist doch ein hübscher Kerl. «
    » Hmmmh « , machte Johann nur verlegen und scharrte mit den Füßen im feuchten Staub.
    » Da

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