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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Mordgedanken zu keimen begannen.
    » Wer hat Euch gerufen, hochwohlgeborener Filzhut? « , zwitscherte er, seine düsteren Gelüste unterdrückend. » Tut Euch keinen Zwang an! Wandert zurück! Nur zu. Niemand wird Euch aufhalten. «
    » W-w-w-ir können d-d-och g-gar nicht z-zurück, Ulrich. D-der G-grundherr wird u-uns tot-sch-sch-schlagen « , flüsterte Wilhelm, während Anna bestätigend nickte.
    » Ich gehe nicht zurück zu meinem Unhold von Stiefvater « , sagte sie trotzig.
    » Meinst du denn, guter Bauer Filzhut, dass unsere Mutter arg traurig ist? « , fragte Gustav. Und in seinem schelmischen, sommersprossigen Gesicht zeigte sich tatsächlich Sorge statt der üblichen Spitzbüberei.
    » Ach, was weiß denn ich « , brummte Ulrich bloß. Er war wütend auf diesen bunten Vogel, der so mir nichts, dir nichts durch diese fremde Landschaft zog und seinen unschuldigen Gefolgsleuten weismachen wollte, dass im Böhmerland für sie der Himmel auf Erden zu finden sei.
    Doch anstatt den Rat Reginos zu befolgen und allein umzudrehen, trieb Ulrich nun mit seinen wunden Füßen den Esel an, schneller nach vorn zu laufen. Das Tier sprang tatsächlich sofort los, sodass Marie ins Gebüsch ausweichen musste, während der Esel auf Regino zupreschte. Bei diesem angekommen, veranlasste sein Reiter das Tier gekonnt zu einem ruhigeren Gang, sodass es nun mit seinen kleinen Hufen neben dem Gaukler hertrippelte, welcher sich wegen der Enge des Weges sichtlich bedrängt fühlte. Dennoch wollte Regino sich nicht die Blöße geben und tat so, als störe er sich nicht daran.
    » Erzähle mir von dem Altvatergebirge, in welches du die guten Seelen hier führen willst. Man weiß so wenig über diese ferne Gegend. Kläre uns auf, weiser Lokator « , forderte Ulrich den Pfeifer nun mit lauter Stimme auf, sodass es auch der Letzte in der Reihe– es handelte sich um den entlaufenen Knecht Otto– hören konnte.
    » Es ist doch schon alles gesagt. Wer zu spät zur Messe erscheint, der verpasst die Predigt. So ist es im Leben, mein guter Filzhut « , antwortete Regino schnippisch.
    » Aber eine Frage sei mir gestattet: Ist es nicht so, dass die Gegend zum Königreich Böhmen zählt? « , bohrte Ulrich weiter.
    » So ist es « , nickte Regino und beschleunigte seinen Schritt, um das neben ihm gehende Tier samt unangenehmem Reiter hinter sich zu lassen. Vergeblich. Denn Ulrich gab dem Eselchen, das ihm verblüffend ergeben war, die Sporen.
    » Ein stolzes Land, dieses Böhmen, nicht wahr? « , meinte Ulrich nun.
    » So ist es « , wiederholte Regino, den Blick starr nach vorn gewandt.
    » Reich. «
    » Genau. «
    » Hausmacht des künftigen Kaisers. «
    » Auch das ist wahr. «
    » Ein selbstbewusstes Volk, diese Böhmen und Mähren. «
    » Ja. «
    » Gebildet. «
    » Ja. «
    » Dem christlichen Glauben seit Jahrhunderten treu ergeben. «
    » Genau. «
    » Alles in allem ein Land und ein Volk, dem es an nichts fehlt. Ich vernahm in Goslar, dass man in der großen Böhmerstadt… wie heißt sie noch gleich? «
    » Prag. «
    » Richtig… dass man in Prag gar eine Universität gegründet habe und eine riesige, steinerne Brücke über den großen Fluss… «
    » Die Moldau. «
    » Ja, so war der Name… die Moldau… dass man eine prächtige Brücke über diesen Fluss baue. «
    » Ja, das stimmt ebenfalls, Filzhut. Worauf willst du hinaus? «
    » Ein Land, in dem Milch und Honig fließen. «
    » Man könnte es so sagen. «
    Ulrich sagte nun nichts mehr, er wandte sich auf seinem Reittier um und vergewisserte sich, dass ihnen alle zuhörten. Zu seiner Zufriedenheit war dem so, auch Marie folgte dem Gespräch zwischen den beiden ungleichen Männern gebannt. Sie und Maja jedoch waren die Einzigen, die ahnten, worauf es hinauslaufen würde. Marie ahnte es, weil sie die Bauernschläue ihres Gemahls nur allzu gut kannte, und Maja ahnte es, weil es ihr der gesunde Menschenverstand– oder ihre Gabe, wie auch immer– längst verraten hatte.
    Allein der sonst so gewitzte und neunmalkluge Regino, der ebenfalls hätte spüren müssen, auf welche Fährte ihn der schlaue Bauer locken wollte– er ging in die Falle.
    » Warum « , sprach Ulrich nun weiter, » warum, so frage ich mich, sollten die Böhmen, wenn es ihnen doch so gutgeht, ausgerechnet eine Handvoll verlauster, zerlumpter Leute aus dem Westen in ihr Land locken? Vor vielen, vielen Jahrzehnten, ja, da soll es das gegeben haben. Aber nun? Schon der blinde Johann, ihr letzter König, musste

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