Die Flucht
rennt an Viola vorbei, und ich spüre den Stoß gegen meinen Rücken, als er abspringt und sich auf Aaron stürzt, knurrend, jaulend, er bellt »Todd!«, und Aaron schreit vor Wut auf ...
... und lässt meine Füße los.
Viola taumelt rückwärts, aber sie lässt mich nicht los, ich torkle ins Boot und begrabe sie unter mir.
Der Ruck hat uns weiter hinaus auf den Fluss gebracht. Das Boot beginnt zu treiben.
In meinem Kopf wirbelt alles hin und her, ich muss mich auf Hände und Knie stützen, um das Gleichgewicht zu halten, aber ich richte mich trotzdem auf, beuge mich über den Bootsrand und rufe: »Manchee!«
Aaron ist in den weichen Sand am Ufer gefallen, er hat sich mit den Beinen in seiner Kleidung verheddert. Manchee stürzt sich auf sein Gesicht, mit Zähnen und Krallen, Knurren und Fauchen. Aaron versucht ihn abzuwehren, aber Manchee beißt sich an Aarons Nase fest und schüttelt seinen Kopf hin und her.
Mit einem Ruck reißt er Aaron die Nase aus dem Gesicht. Aaron brüllt vor Schmerz, das Blut läuft überall an ihm herunter.
»Manchee!«, rufe ich. »Schnell, Manchee!«
»Manchee!«, ruft Viola.
»Komm schnell, Junge!«
Manchee schaut hoch und begreift, dass ich ihn rufe. Und diese Gelegenheit lässt sich Aaron nicht entgehen. »Nein!«, schreie ich auf.
Er packt Manchee am Genick und reißt ihn hoch. »Manchee!«
Ich höre ein Klatschen, nehme aber nur am Rand wahr, wie Viola das Ruder in die Hand nimmt, um zu verhindern, dass unser Boot noch weiter in die Flussmitte treibt. Die Welt verschwimmt vor meinen Augen, denn ...
Denn Aaron hat meinen Hund gepackt.
»Komm sofort hierher zurück!«, schreit Aaron und hält Manchee auf Armeslänge vor sich. Er ist viel zu schwer, man kann ihn nicht einfach am Genick hochheben. Manchee jault vor Schmerz, schafft es aber nicht, den Kopf so weit nach hinten zu drehen, um Aaron in den Arm zu beißen.
»Lass ihn los!«, schreie ich.
Aaron lässt seinen Kopf auf die Brust sinken.
Aus dem Loch, wo zuvor seine Nase gewesen ist, schießt das Blut, und obwohl die Wunde in seiner Wange schon etwas verheilt ist, kann man noch immer seine Zähne dahinter sehen. Diese Fratze wiederholt immer und immer wieder, inzwischen ganz ruhig, aber gurgelnd von Blut: »Komm zurück zu mir, Todd Hewitt.«
»Todd?«, jault Manchee.
Viola rudert wie besessen, damit uns die Strömung nicht mitreißt, aber die Betäubungsmittel haben sie geschwächt und lange kann sie das nicht durchhalten. »Nein«, höre ich sie sagen. »Nein.«
»Lass ihn los!«, schreie ich.
»Entweder das Mädchen oder der Hund, Todd«, ruft Aaron wieder mit dieser inneren Ruhe, die viel unheimlicher ist als jedes Gebrüll. »Du hast die Wahl.«
Ich zücke das Messer und halte es vor mich, aber in meinem Kopf dreht sich alles, meine Hände rutschen ab und ich schlage mit den Zähnen gegen die Sitzbank des Bootes.
»Todd?«, sagt Viola fragend, sie rudert gegen die Strömung an, aber das Boot schaukelt hin und her und tanzt auf dem Wasser.
Ich setze mich auf, schmecke mein Blut, alles dreht sich so schnell, dass ich beinahe wieder hinfalle.
»Ich bringe dich um.« Ich sage es so leise, dass ich es ebenso gut zu mir selber sagen könnte.
»Die letzte Chance, Todd.« Aaron klingt jetzt nicht mehr ganz so ruhig.
»Todd?«, jault Manchee. »Todd?«
Nein, bitte nicht ...
Meine Stimme ist nur noch ein Flüstern.
Nein ...
Aber mir bleibt keine andere Wahl.
Das Boot treibt davon.
Ich blicke zu Viola, die noch gegen die Strömung ankämpft, Tränen rinnen ihr über ihre Wangen.
Sie schaut zu mir.
Mir bleibt keine andere Wahl.
»Nein, oh nein«, flüstert sie mit erstickender Stimme. »Oh nein, Todd ...«
Ich lege meine Hand auf ihren Arm, damit sie aufhört zu rudern.
Aarons Lärm brüllt auf, rot und schwarz.
»Es tut mir leid!« Ich weine, während uns der Fluss mit sich fortträgt. Wie Fetzen werden die Worte aus mir herausgerissen, meine Brust ist so verkrampft, dass ich kaum atmen kann. »Es tut mir leid, Manchee!«
»Todd?«, bellt er, ratlos und ängstlich. Er schaut zu, wie ich ihn zurücklasse. »Todd?«
»Manchee!«, schreie ich.
Aaron fasst mit seiner freien Hand nach meinem Hund. »Manchee!«
»Todd?«
Aaron verdreht die Hände, und ich höre ein Krachen undeinen Schrei und ein ersterbendes Jaulen, das mir für immer und ewig das Herz zerreißt.
Der Schmerz ist zu groß, zu groß, zu groß, ich presse die Hände an den Kopf, lasse mich zurücksinken, mein Mund ist weit
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