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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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Satz hervor, ohne dass seine Stimme bricht, aber er ist nach seinem letzten Geburtstag zum Mann erklärt worden, und nun ist er unser Sheriff.
    Das Blut aus seinem Mund tropft auf die feinen braunen Härchen auf seinem Kinn, die er selbst »Bart« nennt und über die alle anderen höchstens lachen.
    »Du weißt, das beantwortet nicht meine Frage.« Er spuckt Blut und einen Zahn auf den Boden. »Du weißt, dass die Angelegenheitdamit noch nicht erledigt ist.« Er schaut mir direkt in die Augen. »Du hast etwas entdeckt, nicht wahr, Junge?«
    Cillian richtet das Gewehr auf seinen Kopf. »Raus«, sagt er nur.
    »Wir haben etwas mit dir vor, Junge.« Prentiss junior sieht mich mit seinem blutverschmierten Gesicht an und steht mühsam auf. »Der Junge, der als Letzter dran ist. Einen Monat noch, stimmt’s?«
    Ich schaue zu Cillian, aber der lässt nur den Abzug des Gewehrs knacken und macht damit seine Meinung zu diesen Plänen deutlich.
    Prentiss junior schaut uns noch einmal an, spuckt noch einmal auf den Boden und sagt mit einer Stimme, die sich überschlägt: »Wir sehen uns noch.« Dann geht er hinaus.
    Cillian knallt die Tür hinter ihm zu. »Todd muss sofort gehen. Zurück in den Sumpf.«
    »Ich weiß«, entgegnet Ben, »ich hatte nur gehofft ...« »Ich auch«, sagt Cillian.
    »Hey, nun mal langsam, ich gehe nicht in den Sumpf zurück. Dort gibt es Spackle!«
    »Lass niemanden deine Gedanken hören«, sagt Cillian scharf. »Das ist viel wichtiger, als du glaubst.«
    »Das ist nicht schwer, ich weiß ja nichts«, sage ich. »Ich werde nirgendwohin gehen, ehe mir nicht jemand sagt, was hier vor sich geht.«
    »Todd ...«, setzt Ben an.
    »Sie werden zurückkommen, Todd«, erklärt Cillian. »Davy Prentiss wird zurückkommen und dann wird er nicht alleine sein. Wir können dich auf keinen Fall vor der ganzen Meute schützen.«
    »Aber ...«
    »Keine Widerrede!«, unterbricht er mich.
    »Komm jetzt, Todd«, drängt Ben. »Manchee muss mit dir gehen.«
    »Oh Mann, das wird ja immer besser«, stöhne ich.
    »Todd«, sagt Cillian. Er wirkt verändert. In seinem Lärm höre ich etwas Neues, eine Trauer, die wie Verzweiflung klingt. »Todd«, sagt er wieder, und dann packt er mich und drückt mich an sich, so fest er kann. Ich schürfe mir die angeschlagene Lippe an seinem Kragen auf, sage »Aua!« und schiebe ihn von mir weg.
    »Vielleicht wirst du uns hassen für das, was wir tun, Todd«, sagt er, »aber glaub mir, bitte: Wir tun es aber nur, weil wir dich lieben, in Ordnung?«
    »Nein«, antworte ich. »Nichts ist in Ordnung. Überhaupt nichts ist in Ordnung.«
    Doch Cillian hört mir nicht zu, wie üblich. Er steht auf und sagt zu Ben: »Geht, ich halte sie auf, so lange ich kann.«
    »Ich kehre auf einem anderen Weg zurück«, sagt Ben. »Mal sehn, ob ich sie in die Irre führen kann.«
    Sie drücken einander die Hände, eine ganze lange Minute lang, dann sagt Ben zu mir: »Komm!«, und er zieht mich zur Hintertür. Ich sehe, wie Cillian wieder das Gewehr zur Hand nimmt, er mustert mich von Kopf bis Fuß, schaut mir in die Augen, sein Blick spricht Bände und wiederholt nur seine Gedanken: Dies ist ein Abschied für eine viel längere Zeit, als es jetzt den Anschein hat. Er sagt, dass er nun gekommen ist, jener Augenblick, an dem er mich zum letzten Mal sieht, und ich mache den Mund auf, will etwas sagen, aber dann fällt die Tür zwischen uns zu und er ist verschwunden.

5
    Alles, was du weißt
    »Ich bringe dich jetzt zum Fluss«, sagt Ben, während wir zum zweiten Mal an diesem Morgen quer über unsere Felder rennen. »Folge seinem Lauf bis zu der Stelle, wo er in den Sumpf übergeht.«
    »Es gibt keine richtigen Wege, Ben«, protestiere ich. »Und es wimmelt von Krokodilen. Willst du mich umbringen?«
    Er dreht sich im Laufen zu mir um. »Es geht nicht anders, Todd.«
    »Krokodile! Sumpf! Ruhe! Kacken!«, bellt Manchee.
    Da mir anscheinend niemand ein Sterbenswörtchen sagen will, habe ich inzwischen aufgegeben zu fragen, was hier los ist, also laufen wir einfach an den Schafen vorbei, die immer noch nicht in ihren Pferchen sind und es vielleicht niemals sein werden. »Schaf!«, sagen sie und schauen uns nach, als wir vorbeirennen. Weiter geht’s, an der großen Scheune vorbei, bis zu einem großen Entwässerungsgraben, dann nach rechts, einen kleineren Wassergraben entlang, bis dorthin, wo die Wildnis anfängt, was so viel heißt wie »der Rest dieses ganzen, öden Planeten«.
    Erst als wir die Ausläufer des

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