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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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gequält: Cillian!
    »Ich geh mit dir zurück«, sage ich hastig. »Wir kämpfen zusammen.«
    »Nein!«, sagt Ben ganz laut. »Du musst weg von hier. Versprich es mir. Geh in den Sumpf und verschwinde!«
    Einen Augenblick sage ich nichts.
    »Versprich es mir«, wiederholt Ben beharrlich.
    »Versprich es!«, bellt Manchee und sogar er klingt ängstlich.
    »Ich verspreche es«, sage ich.
    Ben greift hinter seinen Rücken und fingert an etwas herum. Er zieht und zerrt, bis es lose ist. Dann reicht er es mir. Es ist sein Jagdmesser, das große, sorgfältig geschärfte Messer mit dem Elfenbeingriff und der gezackten Klinge, das durch alles hindurchschneidet, was du dir denken kannst. Das Messer, das ich mir zu jenem Geburtstag gewünscht habe, an dem ich ein Mann werde. Es steckt in der Scheide, die ich mir umschnallen kann.
    »Nimm es«, sagt er. »Nimm es mit in den Sumpf. Du könntest es brauchen.«
    »Ich habe noch nie gegen einen Spackle gekämpft, Ben.« Er hält mir schweigend das Messer hin und ich nehme es. »Bang!« Von der Farm dröhnt es ganz laut. Ben sieht sich kurz um, dann wendet er sich wieder mir zu. »Geh! Folge dem Flusslauf bis in den Sumpf und noch weiter. Lauf, so schnelldu kannst, und dreh dich am besten nicht mehr um, Todd Hewitt.« Er umklammert meinen Arm. »Wenn es irgendwie geht, werde ich dich finden, das schwöre ich. Aber du darfst nicht anhalten, Todd. Du hast es versprochen.«
    Das ist er. Das ist der Abschied. Ein Abschied, den ich nicht gewollt habe.
    »Ben ...«
    »Geh!«, schreit er mich an und rennt los. Nur einmal schaut er kurz zu mir zurück, dann rennt er zurück zur Farm und zu dem, was dort, am Ende der Welt, geschieht.

6
    Das Messer vor mir
    »Komm mit, Manchee«, sage ich, obwohl jede Faser in mir Ben folgen will, der über die Felder in die entgegengesetzte Richtung läuft, so wie er gesagt hat. Er will alle in die Irre führen, die nach einer einzelnen Lärmquelle suchen.
    Ich bleibe kurz stehen, als ich kleinere Explosionen höre, die aus der Richtung unseres Hauses kommen, vielleicht sind es Gewehrschüsse. Ich muss an die Waffe denken, die Cillian Prentiss junior abgenommen hat, und an all die Gewehre, die Bürgermeister Prentiss und seine Leute in der Stadt unter Verschluss halten, und daran, dass Cillian diesen Gewehren auf Dauer nicht standhalten kann, und ich frage mich, was der Grund für diese lauten Explosionen gewesen sein könnte, und mir wird klar, dass Cillian die Generatoren in die Luft gejagt hat, um die anderen zu verwirren und ihren Lärm zu einer solchen Lautstärke herauszufordern, dass sie von meinem hier draußen nicht einmal ein leises Flüstern mitbekommen.
    All das, nur damit ich fliehen kann.
    »Komm mit, Manchee«, sage ich noch einmal und wir rennen die letzten paar Meter bis zum Fluss. Dann wenden wir uns nach rechts und folgen seinem Lauf, halten uns aber immer fern von dem Schilfdickicht am Ufer.
    Vom Dickicht, in dem die Krokodile sind.
    Ich ziehe das Messer aus dem Futteral und halte es gezückt, während wir schnell weiterlaufen.
    »Was, Todd?«, bellt Manchee in einem fort, was bei ihm so viel heißt wie: »Was ist hier los?«
    »Keine Ahnung, Manchee. Halt die Klappe und lass mich nachdenken.«
    Der Rucksack schlägt gegen meinen Rücken, während wir rennen, aber wir schlagen uns durch, so gut es geht, kämpfen uns durchs Ufergebüsch, springen über umgestürzte Baumstämme.
    Ich werde zurückkommen. Genau das werde ich tun. Ich werde zurückkommen. Sie haben gesagt, mir würde schon einfallen, was zu tun ist, und jetzt ist es mir eingefallen. Ich werde in den Sumpf gehen und die Spackle töten, und dann werde ich zurückkommen und Cillian und Ben helfen, und dann können wir alle zu diesem Irgendwo gehen, von dem Ben gesprochen hat.
    Ja, das werde ich tun.
    »Versprochen, Todd«, sagt Manchee und klingt besorgt, denn der Grat, auf dem wir gehen, kommt dem Schilfdickicht gefährlich nahe.
    »Halt die Klappe!«, sage ich. »Ich habe versprochen wegzulaufen, aber vielleicht muss man, um wegzulaufen, erst einmal zurückkommen.«
    »Todd?«, bellt Manchee. Er hat Recht, ich glaube selbst nicht, was ich da sage.
    Inzwischen sind wir außer Hörweite der Farm. Der Fluss verläuft in einer leichten Krümmung nach Osten, ehe er mitten in den Sumpf führt, er führt uns weg von der Stadt, und nach einer Minute folgt uns nichts als mein Lärm und MancheesLärm und das Plätschern fließenden Wassers, das gerade laut genug ist, um das Geräusch

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