Die Flucht
Bogen um den großen Berg, der links über uns aufragt.
Wo der Pfad eine Biegung macht, bleiben wir stehen und blicken zurück, ohne dass wir es abgesprochen haben. Es ist unglaublich, aber die Brücke brennt noch, sie klebt wie ein feuriger Wasserfall am gegenüberliegenden Flussufer, die Flammen kriechen mittlerweile über ihre ganze Länge, wütend und grünlich gelb. Der Qualm ist noch immer so dick, dass man nicht erkennen kann, was der Bürgermeister und seine Leute tun, was sie getan haben, ob sie schon verschwunden sind oder was auch immer. Ein Flüstern im Lärm könnte über die Schlucht hinüberdringen, aber genauso gut könnte es sein, dass gar nichts zu hören ist, bei dem Feuer, das zischt, und dem Holz, das prasselt, und dem Wildwasser unter uns. Während wir noch zusehen, hat das Feuer seine Arbeit an den Pfählen auf der anderen Seite beendet, und mit einem lauten Krachen stürzt die brennende Brücke, stürzt und stürzt, zerschmettert am Abhang, fällt schäumend in den Fluss, schickt noch mehr Wolken aus Rauch und Dampf zum Himmel, taucht alles um uns herum in ein noch stumpferes Licht.
»Was war in dem Kästchen?«, frage ich sie.
Sie blickt mich an, öffnet den Mund, schließt ihn wieder und wendet sich ab.
»Schon gut«, sage ich. »Ich tu dir nichts.«
Wieder schaut sie mich an, und mein Lärm ist so laut wie vor ein paar Minuten, als ich sie wirklich verletzen wollte, als ich gerade dabei war ...
Wie auch immer. Wir sagen kein Wort mehr. Sie geht weiter und ich und Manchee folgen ihr.
Zu wissen, dass sie sprechen kann, hilft gar nichts bei der Stille, die sie umgibt. Zu wissen, dass sie Worte in ihrem Kopf hat, bedeutet gar nichts, wenn man diese Worte nur hören kann, wenn sie spricht. Wenn ich beim Gehen ihren Hinterkopf betrachte, spüre ich, wie die Stille mein Herz berührt, und ich habe noch immer das Gefühl, dass ich einen schrecklichen Verlust erlitten habe, fühle mich noch immer so traurig, dass ich weinen möchte.
»Weinen«, bellt Manchee.
Ihr Hinterkopf entfernt sich weiter.
Der Weg ist noch immer ziemlich breit, breit genug für Reiter, aber das Gelände um uns herum wird immer felsiger, der Pfad windet sich immer weiter hinauf. Wir hören den Fluss tief unter uns, aber es scheint, als würden wir uns von ihm entfernen und in eine Gegend kommen, wo rechts und links hohe Wände emporragen, wo manchmal zu beiden Seiten nur schroffes Gestein ist und man sich vorkommt wie auf dem Boden einer hohen Schachtel. Kleine, stachelige Tannen sprießen aus jeder Felsspalte und um ihre Wurzeln winden sich gelbe, dornige Ranken. Man sieht und hört Eidechsen mit messerscharfen Schuppen auf dem Rücken, die uns anzischen, während wir an ihnen vorübergehen. Beißen! , sagen sie drohend. Beißen! Beißen!
Alles, was man hier anfassen kann, schneidet in die Haut.
Nach vielleicht zwanzig, dreißig Minuten wird der Weg breiter, ein paar richtige Bäume wachsen da, der Wald beginnt wieder, ein richtiger Wald zu werden, das Gras steht wieder so niedrig, das wir uns hinsetzen können. Und genau das tun wir auch. Wir setzen uns hin.
Ich hole ein bisschen von dem getrockneten Hammelfleischaus meinem Rucksack und schneide es mit dem Messer in Streifen für mich, für Manchee und für Viola. Sie nimmt wortlos ihre Ration entgegen und wir sitzen schweigend nebeneinander und essen.
Ich bin Todd Hewitt, denke ich und schließe die Augen und kaue und schäme mich wegen meines Lärms, nun, da ich weiß, dass sie ihn hören kann, nun, da ich weiß, dass sie sich darüber Gedanken machen kann.
Sich Gedanken darüber machen kann, ohne dass ich etwas davon weiß.
Ich bin Todd Hewitt.
In neunundzwanzig Tagen werde ich ein Mann sein.
Das stimmt, fällt mir ein, als ich meine Augen wieder aufmache. Die Zeit vergeht, selbst wenn man gar nicht auf sie achtet.
Ich beiße noch ein Stück von dem Fleischstreifen ab. »Den Namen Viola habe ich noch nie gehört«, sage ich nach einer Weile, ohne den Kopf zu heben, ich schaue stur auf mein Essen. Sie schweigt, also hebe ich den Kopf, obwohl ich das eigentlich gar nicht will.
Und stelle fest, dass sie mich anschaut.
»Was ist?«, frage ich.
»Dein Gesicht«, antwortet sie.
Ich runzle die Stirn. »Was ist mit meinem Gesicht?«
Sie ballt beide Hände zu Fäusten und tut so, als würde sie sich selbst schlagen.
Ich merke, wie ich rot werde. »Ja, und?«
»Und die Verletzung davor«, sagt sie. »Als ...« Sie hält inne.
»Aaron«, sage
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