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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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das zweite Wesen, das ich auf diesem Planeten erblickt habe. Du kamst mit eben diesem Messer auf mich zu, und wie ich annehmen musste, konntest du nur so sein wie er.«
    Sie streckt die Hände hoch, als wäre ich das längst in der Ferne verschwundene Pferd von Prentiss junior und sie müsste es beruhigen.
    »Ehe ich noch recht verstand, was es mit dem Lärm, was es mit Prentisstown und mit allem, was du mir erzählt hast, auf sich hat, wusste ich etwas über dich. Die Leute sehen es dir an, Todd. Sie sehen, dass du ihnen nicht wehtun willst. Das ist nicht deine Art.«
    »Du hast mir einen Ast übergezogen«, erwidere ich.
    Sie stemmt die Hände in die Hüften. »Was hast du denn erwartet? Du bist mit einem Messer auf mich losgegangen. Aber ich habe nicht so stark zugeschlagen, dass ich dich ernsthaft verletzt hätte, oder?«
    Ich antworte nicht.
    »Und ich habe Recht behalten«, fährt sie fort. »Du hast meinen Arm verbunden. Du hast mich vor Aaron in Sicherheit gebracht, obwohl du das gar nicht tun musstest. Du hast mich aus dem Sumpf herausgeführt, wo ich sicher umgekommen wäre. Du hast mich vor dem Mann im Obstgarten in Schutz genommen. Du hast mich begleitet, als wir Farbranch verlassen mussten.«
    »Nein«, antworte ich leise. »Nein, du verstehst nicht. Wir müssen nur deshalb fliehen, weil ich ...«
    »Im Gegenteil, ich fange endlich an zu begreifen, Todd«, unterbricht sie mich. »Warum verfolgen sie dich so gnadenlos? Warum ist eine Armee auf der Suche nach dir, warum jagt sie dich durch Dörfer, Flüsse, Täler kreuz und quer über diesen dummen Planeten?« Sie zeigt auf Prentiss junior. »Ich habe gehört, was er gesagt hat. Hast du dich noch nie gefragt, weshalb sie dich um jeden Preis haben wollen?«
    Das Loch in mir wird immer schwärzer und finsterer. »Weil ich derjenige bin, der nicht zu ihnen passt.«
    »Ganz genau.«
    Meine Augen werden noch größer. »Und was soll daran gut sein? Eine Armee ist hinter mir her, die mich umbringen will, weil ich kein Mörder bin.«
    »Falsch«, antwortet sie. »Hinter dir ist eine Armee her, die dich zum Mörder machen will.«
    Ich kneife die Augen zu. »Was sagst du da?«
    Sie macht einen Schritt auf mich zu. »Wenn es ihnen gelingen sollte, dich zu einem Mann zu machen, wie sie ihn sich vorstellen ...«
    »Zu einem Jungen«, verbessere ich sie. »Ich bin noch kein Mann.«
    Sie winkt ungeduldig ab. »Wenn sie den Teil von dir ausradieren können, der gut ist, den Teil von dir, der nicht töten kann, dann haben sie gewonnen, verstehst du denn nicht? Und wenn es ihnen bei dir gelingt, dann wird es ihnen auch bei allen anderen gelingen. Und sie werden gewinnen. Sie werden gewinnen!«
    Sie ist jetzt ganz nahe bei mir, streckt ihre Hand aus und legt sie auf meinen Arm, auf den Arm, dessen Hand noch immer das Messer umklammert hält.
    »Aber wir werden ihnen einen Strich durch die Rechnung machen«, sagt sie, »du wirst das. Denn du wirst nicht so werden, wie sie es wollen.«
    Ich beiße die Zähne zusammen. »Er hat Ben und Cillian getötet.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Nein, er hat gesagt, er habe Ben und Cillian getötet. Und du hast ihm geglaubt.«
    Wir schauen auf ihn hinunter. Er zuckt nicht mehr. Auch der Qualm löst sich allmählich auf.
    »Ich kenne diese Sorte«, fährt sie fort. »Sogar in Raumschiffen findet man Jungen wie ihn. Er ist ein Lügner.«
    »Er ist ein Mann.«
    »Wie kannst du so etwas behaupten?«, fragt sie, und ihre Stimme klingt jetzt bissig. »Wie kannst du behaupten, dass er ein Mann sei und du nicht? Nur wegen dieses blödsinnigen Geburtstags? Wenn du aus meiner Heimat kämst, wärst du schon vierzehn Jahre und einen Monat alt.«
    »Aber ich komme nicht aus deiner Heimat«, schreie ich. »Ich bin von hier und hier ist es eben so!«
    »Dann ist es eben falsch, so wie es hier ist.« Viola lässt meinen Arm los und kniet sich neben Prentiss junior hin. »Wir werden ihn fesseln. Wir werden ihn fest und sicher verschnüren und dann verschwinden wir so schnell wie möglich von hier, einverstanden?«
    Ich gebe das Messer nicht aus der Hand.
    Ich werde das Messer nie aus der Hand geben, ganz egal, was sie sagt, ganz egal, wie sie es sagt.
    Sie blickt sich um. »Wo ist Manchee ?«
    Oh nein.
    Wir finden ihn im Gebüsch. Er knurrt uns an, wortlos, knurrt einfach, wie Tiere knurren. Er drückt sein linkes Auge zu und seine Schnauze ist blutverschmiert. Nach ein paar vergeblichen Versuchen kann ich ihn schließlich einfangen, während Viola ihren

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