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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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der weiß, wonach er überhaupt suchen muss. Vermutlich hat er sie schon in dem Augenblick gespürt, in dem der Segen erlosch.«
    »Warum hat er es sich dann nicht geholt?«
    »Vielleicht war er nicht schnell genug. Er hat die Aura geortet und sich auf den Weg gemacht, um sich das Amulett zu holen. In der Zwischenzeit hat Mortens es aber weiterverkauft, und bevor Ravenwood den Händler erreichen konnte, hatte der das Medaillon bereits an Max verschickt.«
    »Dann ist er der Spur also hierhergefolgt. Und dann?«
    »Ich kann auch nur spekulieren, das ist dir hoffentlich klar. Angenommen, er kam mit dem Wunsch hierher, es an sich zu bringen und Lavinias Seele zu befreien, dann hätte er …
    »Er brauchte einen Körper für sie und warum nicht Kim nehmen, wenn sie das Medaillon ohnehin schon trug.« Abgesehen davon, dass sie die offensichtliche Wahl war, verfügte sie obendrein auch noch über eine sehr hübsche Hülle, in die Ravenwood die Seele seiner Geliebten stecken konnte. Er hätte es schlechter treffen können. »Dann hat er also das Ritual durchgeführt, um die Seele an sie zu binden und ihr … den Übergang zu ermöglichen?«
    »Das nehme ich an. Aber etwas muss schiefgegangen sein.«
    Und ich hatte auch so eine Ahnung, was das gewesen sein könnte. Keine vierundzwanzig Stunden nachdem der Hexer (angenommen, er war es tatsächlich und hatte es wirklich getan) unter Kims Fenster sein Ritual ausgeführt und die Seele an Kims Körper gebunden hatte, legte ich meinen Fluch über Kim. Vielleicht hatte ich damit den Übergang gestört, ihn irgendwie behindert, vielleicht sogar gänzlich verhindert. Irgendwas musste mein Fluch jedenfalls bewirkt haben, andernfalls wäre Kim längst nicht mehr sie selbst gewesen, sondern eine Hexe mit Kims Gestalt und Augen wie zwei Kohlenstückchen.
    Ich wollte Skyler fragen, warum er mich ausgewählt hatte, doch ich schluckte die Frage herunter. Ich hatte Magie im Blut. Vielleicht war der Transfer auf diese Weise leichter, womöglich erhoffte Calder sich dadurch auch eine Stärkung von Lavinias Fähigkeiten. Vielleicht spielte meine Magie aber auch gar keine Rolle und ich war lediglich diejenige, die am leichtesten greifbar gewesen war. Oder es war einfach seine Art, sich dafür an mir zu rächen, dass ich den Übergang der Seele in Kims Körper gestört hatte. Welche Variante es auch sein mochte, es war nicht ratsam, mit Skyler darüber zu sprechen.
    Während ich noch überlegte, was ich sagen, wie ich die zwischen uns entstandene Stille füllen konnte, ohne mich in irgendeiner Form verdächtig zu machen, stand er auf und wandte sich den Tuben und Tiegeln aus seiner Ledermappe zu. Ich beobachtete, wie er in einem leeren Gefäß eine rotbraune Paste anrührte, sie mit ein wenig Wasser und ein paar Tropfen anderer Flüssigkeiten verdünnte und dabei immer wieder die Konsistenz prüfte. Seine Lippen, die ich fast nur mit einem Lächeln darauf kannte, waren zu einemschmalen Strich zusammengepresst. Die Konzentration zeichnete eine steile Falte zwischen seine geraden Augenbrauen. Jeglicher Schalk war aus seinem Blick gewichen und hatte einem ernsten, fast schon nachdenklichen Ausdruck Platz gemacht. Seine offenkundige Sorge machte mich nervös. Es wäre mir lieber gewesen, er hätte mir versichert, dass alles gut werden würde, statt mich merken zu lassen, dass er selbst nicht so recht daran zu glauben schien. Daran, dass die Runen mich für eine gewisse Zeit schützen konnten, zweifelte er nicht. Es war das, was danach kam, das seine Skepsis weckte. Er glaubte nicht daran, dass seine Leute mir mit all ihrem Wissen helfen konnten. Der immer gut gelaunte, optimistische und starke Skyler, den ich kennengelernt hatte, glaubte nicht, dass ich gerettet werden konnte.
    Zum x-ten Mal verrührte er den Inhalt des Gefäßes. Er kippte es leicht zur Seite, beobachtete, wie der Inhalt, der Schwerkraft folgend, die Glaswand entlangkroch. Zufrieden mit dem Ergebnis legte er das Stäbchen, mit dem er gerührt hatte, zur Seite und stellte den Tiegel auf dem Nachttisch ab.
    »Schieb deinen Ärmel hoch«, forderte er mich auf, ohne mich anzusehen. Seine Aufmerksamkeit galt den in der Ledermappe aufgereihten Pinseln. Er zog einen heraus, prüfte die Spitze, steckte ihn wieder zurück und griff nach dem nächsten. Schließlich hatte er den passenden Pinsel gefunden – denselben, den er schon vor Mr Mortens Anruf ausgewählt hatte.
    Ich lenkte meinen Blick auf meine Ärmel und machte mich daran, sie so

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