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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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weit wie möglich nach oben zu schieben. Je mehr Platz Skyler für seine Runen hatte, desto mehr Schutz würden sie mir bieten. Wenn es mich vor den Übergriffen der Seele schützte, konnte er mir meinetwegen beide Arme, die Beine und den Rücken mit seinen Zeichen bepinseln.
    Ohne dass es mir aufgefallen war, hatte er innegehalten.Sein Blick war auf mein Gesicht gerichtet. Er studierte meine Züge, als versuchte er sich mein Gesicht bis ins letzte Detail einzuprägen. Beinahe zögernd hob er die Hand. Sein Zeigefinger strich über meine Unterlippe. Langsam. Und so zärtlich, dass es schmerzte. Ich wollte mich befreien, wollte den Kopf abwenden. Doch ich konnte mich nicht bewegen. Es gelang mir nicht einmal, meinen Blick von seinen Augen zu lösen. Ich war gefangen von diesem Moment, von der Wärme in seinen Augen und der Zärtlichkeit seiner Berührung. Seine Nähe überwältigte mich, erfüllte mich mit Sehnsucht. Doch ganz gleich, wie sehr ich es mir auch wünschte, ich konnte ihn nicht haben. Konnte nicht mit ihm zusammen sein.
    Die Traurigkeit schlug wie eine Welle über mir zusammen, setzte sich als Kloß in meinem Hals fest und machte mir das Atmen schwer. Ich schluckte heftig, doch ich kam nicht dagegen an. Ein gebrochener Seufzer kroch mir über die Lippen.
    »Hey.« Plötzlich saß Skyler neben mir auf dem Bett und zog mich an sich. »Mach dir keine Sorgen. Wir schaffen das. Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert.«
    Da war sie, die Lüge, die zu hören ich mir vorhin noch gewünscht hatte. Jetzt jedoch wäre es mir lieber gewesen, dass wir es schaffen könnten. Er und ich. Nicht nur den Kampf gegen die Seele, die mich zu verschlingen versuchte, sondern den Kampf um die Zukunft.
    Er schloss die Arme enger um mich und vergrub sein Gesicht in meinem Haar. Sein Atem strich warm über meinen Hals. »Wir werden einen Weg finden, das verspreche ich dir. Ich werde alles tun, um dich von dieser verfluchten Magie zu befreien. Alles. Ich will … Ich werde dich nicht an sie verlieren.«
    Ich war mir nicht sicher, ob er mit »sie« Lavinias Seeleoder die Magie meinte. Was die Magie anging, würde er sein Versprechen nicht einlösen können – solange er mein Gehirn nicht zu Matsch verwandelte, würde die Magie immer ein Teil von mir sein.
    Ich lehnte mich an ihn und gab mich noch einmal der Illusion hin, dass er und ich wirklich zusammengehören könnten. Ein letztes Mal, bevor wir uns dem Kampf gegen Calder Ravenwoods Magie stellen würden. Einen Kampf, der unweigerlich mit einem Verlust enden würde. Wenn ich mich nicht selbst an diese Seele verlor, würde ich Skyler verlieren.
    Skyler lehnte seine Stirn an meine, nur für ein paar Sekunden. Dann hob er den Kopf, küsste mich auf den Haaransatz und stand auf. »Lass uns anfangen. Je eher die Runen auf deiner Haut sind, desto schneller wirst du dich wieder sicher fühlen.«
    Ich bezweifelte, dass ich mich überhaupt jemals wieder sicher fühlen würde. Aber das behielt ich für mich. Skyler schob die Ärmel von Pullover und Bluse noch ein Stück weiter nach oben. »Streck den Arm aus.« Ich tat es. Er runzelte die Stirn. »Auf Dauer wird das nicht allzu bequem sein.«
    »Wie lange gedenkst du denn zu malen?«
    »Nicht lange.«
    »Dann wird es gehen.«
    Einen Moment betrachtete er meinen durchgestreckten Arm, dann packte er sein Kopfkissen, legte es auf meine Knie und platzierte meinen Arm darauf.
    »Du wirst den Bezug versauen.«
    »Für so etwas haben wir ein Spesenkonto«, bemerkte er trocken, zog sich den Schreibtischstuhl heran und setzte sich zwischen mich und den Nachttisch, auf dem sein Farbtiegel stand. »Okay, halt still. Je akkurater die Runen sind, desto besser wirken sie.«
    »Wie viel Zeit gewinne ich?«
    »Ein paar Tage. Wenn alles gut geht.«
    Nicht viel, aber es musste reichen.
    Er warf einen Blick auf sein Handy, studierte die Mail mit den verschlungenen Formen eingehend, dann tauchte er den Pinsel in die Farbe und setzte die erste Linie an der Innenseite meines Unterarms an. Die Farbe war feucht und kalt, der Pinsel kitzelte meine Haut und verursachte mir eine Gänsehaut. Nur mühsam widerstand ich dem Drang, darüberzureiben. Meine Augen folgten dem Schwung des Pinsels, verfingen sich in der Spiralform, die Skyler auf meinen Arm auftrug und die ohne Unterbrechung sofort in die nächste Spirale überging. Skyler hatte die Augenbrauen konzentriert zusammengezogen und die Zähne so fest in seine Unterlippe gegraben, dass sie bereits weiß

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