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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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schimmerte. Sorgsam zeichnete er seine Spiralmuster. Dass er dabei eine Vorlage benutzte, beruhigte mich nicht. Was, wenn er einen Fehler machte? Wenn das Muster abwich und keine Wirkung mehr zeigte?
    Dann bin ich erledigt.
    Die Spiralen veränderten ihre Größe, anfangs kaum merklich, dann immer deutlicher. Verschlungene Schriftzeichen verbanden sich mit den Mustern zu einer fließenden Einheit. Obwohl Skyler die Zeichen ohne zu zögern mit einem einzigen Pinselstrich auftrug, nahm er sich vor jedem neuen Symbol ein paar Sekunden Zeit, um sich die Muster auf dem Display einzuprägen. Es fiel mir schwer, den Ranken und Kreisen, die sich immer weiter über meinen Arm ausbreiteten, einen Sinn abzutrotzen. Tatsächlich schienen sich die Spiralen vor meinen Augen zu drehen, je länger ich darauf starrte. Sie bewegten sich, wirbelten immer schneller im Kreis und trugen meine Gedanken fort. War das die Wirkung, die sie auf Magie hatten? Lenkten sie die Magieab, wirbelten sie durcheinander und ließen sie ihr Ziel vergessen? Beim Betrachten der Zeichen fühlte ich mich mehr und mehr mitgerissen, verloren in den endlosen Windungen von Spiralen und verschlungenen Runen. Ich kniff die Augen zusammen, doch es wollte mir nicht gelingen, einen mir bekannten Buchstaben in den Runen zu erkennen. Es war, als blickte ich auf eine fremde Sprache, deren Schrift nicht die geringste Ähnlichkeit mit der unsrigen hatte. Alt sahen die Zeichen aus, doch trotzdem hatten sie nichts mit den alten Schriften gemein, die ich in Büchern über Magie gesehen hatte. Diese Runen waren etwas vollkommen Eigenständiges.
    Je länger es dauerte, desto mehr verlor ich das Gefühl in meinem Arm. Das Kissen machte es mir leichter, trotzdem musste ich ihn durchstrecken und – was mir noch schwerer fiel – ruhig halten. Meine Finger zitterten von der Anstrengung und ich kämpfte darum, das Zittern vom Rest meines Armes fernzuhalten. Dass die Farbe mehr und mehr auf meiner Haut brannte, machte es nicht leichter. Anfangs war es lediglich ein leichtes Prickeln und Kribbeln gewesen, keines von der angenehmen Sorte, wie ich es verspürte, wenn Skyler mich berührte; je mehr Farbe jedoch meinen Arm zierte, desto schmerzhafter wurde es. Es sah ganz danach aus, als wäre ich auf Henna allergisch. Ich konnte nur hoffen, dass sich die Allergie auf meine Haut beschränkte und ich nicht plötzlich einen Asthmaanfall oder Magenkrämpfe bekam.
    Da die Runen meine beste und vielleicht einzige Chance waren, etwas gegen die Macht der Seele auszurichten, beschloss ich, die unangenehme Nebenwirkung der Farbe erst einmal für mich zu behalten. Ich brauchte diese Zeichen. Von ein bisschen Schmerz würde ich mich nicht einschüchtern lassen.
    Auch wenn er mit jeder Sekunde durchdringender wurde.
    Mein Arm brannte und sandte tobende Wellen bis in meine Schulter hinauf.
    Ich biss die Zähne zusammen und betrachtete die Haut um die Zeichen herum genauer. Da war weder eine Rötung zu erkennen noch etwas, das nach einem Ausschlag aussah. Keine Pusteln und auch sonst nichts Auffälliges. Vielleicht war es die Magie, die sich auf diese Weise bemerkbar machte. Womöglich musste es so sein.
    Als es schlimmer wurde, konnte ich ein Stöhnen nicht mehr ganz unterdrücken. Sofort hielt Skyler inne und sah mich an. »Stimmt was nicht?«
    Ich verzog das Gesicht. »Ich wundere mich gerade darüber, dass alles, was hilft, immer irgendwie wehtun muss. Oder schlecht schmeckt.«
    Er sah mich verständnislos an.
    »Die Runen«, rutschte es mir heraus, obwohl ich es nicht sagen wollte. Verflucht, ich hatte schon vorhin zu viel gesagt! Aber jetzt war es zu spät. »Die Farbe brennt.«
    »Du dürftest eigentlich nichts weiter spüren als den Pinsel. Bist du auf Henna allergisch?«
    »Scheint so.« Ich zuckte die Schultern. »Vielleicht ist es ja auch die Seele, die sich gegen den Bannzauber wehrt. Mach einfach weiter. Ich halte das schon aus, wenn ich die Seele damit unter Kontrolle bringen kann.«
    »Das ist nicht die Seele.«
    »Nein?«
    »Nein.« Nachdenklich kaute er auf dem Ende des Pinsels herum. »Die Muster drängen sie zurück, sie kann sie nicht durchbrechen und müsste deshalb schwächer werden. Zu schwach, als dass du sie länger spüren könntest.«
    Da ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte, nickte ich nur.
    Skyler nahm seine Arbeit wieder auf. »Ich bin gleich fertig«, sagte er, während er den Pinsel über meinen Arm wandern, ihn Kreise ziehen und Schlaufen malen ließ.

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