Die Fluchweberin
– und mich inmitten der Trümmer zurückgelassen.
Allein.
Und bald würde ohnehin nur noch eine leere Hülle von mir existieren, ohne Leben, ohne das, was mich ausmachte – entweder würde die Seele meinem Bewusstsein ein Ende setzen oder die Magiepolizei.
Jeden Moment würden Skylers Leute ins Zimmer stürmen, so wie sie damals in unser Haus gestürmt waren, und mich abführen. Im Gegensatz zu meiner Mutter hatte ich niemanden, der sich schützend vor mich stellen würde.
Niemand, den es interessierte, ob ich lebte oder starb.
Ich sollte fliehen. Abhauen, solange ich noch konnte, und versuchen, zumindest einen Vorsprung zu gewinnen. Doch ich konnte mich nicht bewegen. Ich war wie paralysiert. Selbst das Atmen fiel mir schwer. Zitternd starrte ich auf die Tür, wartete darauf, dass sie kamen, um mich zu holen, während ich noch immer versuchte, meine streikenden Muskeln zum Gehorsam zu zwingen.
Es dauerte lange, bis ich endlich die Kraft dazu aufbrachte, mich zu bewegen. Ich drehte mich zur Tür herum und war im Begriff, einen ersten Schritt darauf zuzumachen, als sie geöffnet wurde.
Ich fuhr zurück, darauf gefasst, mich einem Trupp schwarz gekleideter Männer gegenüberzusehen, die ihre Waffen auf mich richteten. Doch es war nur Skyler. Er trat in den Raum, drückte die Tür hinter sich ins Schloss und blieb stehen.
Die Wut war aus seinen Zügen geschwunden und hatte einer starren Leere Platz gemacht, die schlimmer war als alles andere. Sein wunderschönes Gesicht, die strahlenden Augen, in denen stets ein Lächeln zu blitzen schien, wirkten wie tot. Selbst die Narbe an seiner Wange, die immer ein wenig dunkler geschimmert hatte, schien jede Farbe verloren zu haben. Ich konnte es nicht ertragen, ihn anzusehen, deshalb senkte ich den Kopf.
Sein Schweigen zog sich in die Länge. Krampfhaft suchte ich nach etwas, mit dem ich es füllen konnte, Worte, die die feindselige Stille durchbrechen und mir den Skyler zurückgeben würden, den ich kannte. Doch ich war mir nicht einmal sicher, ob mir meine Stimme überhaupt gehorchen würde. Abgesehen davon würde nichts, was ich sagte, die Situation verbessern.
Also ertrug ich die Stille und wartete.
Sekunden zogen sich ins Endlose, wurden zu einer Minute, dann zwei. Ich war mir der Tatsache bewusst, dass er mich musterte. Vermutlich suchte er nach Anzeichen, die mich ihm als Zauberin hätten zu erkennen geben müssen. Anzeichen, die selbst seinem geschulten Auge verborgen geblieben waren.
»Es war ein Fluch«, brach Skyler endlich sein Schweigen.
Ich sah auf, unsicher, wovon er sprach. »Was?«
»Als Kim letzte Woche den Ausschlag bekam.«
Er hatte es bemerkt! Wie zum Teufel konnte er es gemerkt und trotzdem nichts gesagt haben? Da er mir keine Frage gestellt, sondern lediglich eine Feststellung ausgesprochen hatte, sagte ich nichts. Ich schlang die Arme fester um mich in dem Versuch, mich gleichermaßen zu trösten und vor dem zu schützen, was mir bevorstand. Noch immer fühlte ich mich wie erstarrt. Innerlich war ich erfroren, jedes Gefühl war tot. Ich hatte Skyler in dem Moment verloren, in dem ich erfahren hatte, was er war. Jedoch wurde mir erst jetzt bewusst, wie endgültig dieser Verlust war. Wir hatten keine Auseinandersetzung gehabt. Nichts, was sich durch Worte oder eine Entschuldigung aus dem Weg räumen ließ.
Dass er von dem Ausschlag wusste, überraschte mich. Er hatte unmittelbar hinter mir gestanden, als es passiert war.Wenn ihm nicht entgangen war, was ich getan hatte, warum hatte er nichts gesagt? Mich nicht sofort verhaftet?
Als ich den Kopf hob, merkte ich, dass er mich ansah. In seinem Blick lag ein Ausdruck, als würde meine Reaktion bestätigen, was er ohnehin längst gewusst hatte.
»Es war nur ein schwaches Vibrieren«, sagte er. »So schwach, dass ich mir nicht sicher war. Es hätte ebenso gut von jemandem kommen können, der in diesem Moment an uns vorüberging. Ich wünschte, es wäre so gewesen.« Für einen Moment fiel die Starre von ihm ab und offenbarte die Gefühle, die in ihm gegeneinander ankämpften, doch es kostete ihn nur ein kurzes Kopfschütteln und schon fiel die Maske wieder herab und brachte jede Emotion in seinen Augen zum Erlöschen. »Die Wahrheit ist, dass ich es die ganze Zeit geahnt habe. Doch ich wollte es nicht wahrhaben. Ich habe mir gewünscht, dass ich mich irre. Aber du warst es. Du bist eine Fluchweberin. Deshalb konnte ich deine Magie nur so schwach spüren.«
Wieder fiel die Maske in sich
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