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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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der von der nackten Glühbirne, die von der Decke baumelte,nur unzureichend erhellt wurde. Wäschewaschen gehörte nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen und der düstere, fensterlose Keller drückte schon an guten Tagen auf meine Stimmung. Heute jedoch war die fast schon klaustrophobische Enge kaum auszuhalten. Seit Mom mich damals in den Schrank geschoben hatte, hatte ich ein Problem mit kleinen Räumen.
    Und mit Dunkelheit.
    Laut schimpfend sortierte ich meine Wäsche und stopfte sie in die Maschine. Ein Geräusch ließ mich innehalten. Waren da Schritte gewesen?
    Ich drehte den Kopf in Richtung der Tür. Sie stand offen, aber es war niemand zu sehen. Wahrscheinlich hatte ich in meiner Wut vergessen, sie hinter mir zu schließen, oder ein Luftzug hatte sie wieder aufschwingen lassen.
    Mit einem Schulterzucken wandte ich mich wieder der Waschmaschine zu. Ich streckte die Hand nach dem Regal mit dem Waschmittel aus, doch der Behälter war leer. Fluchend schnappte ich ihn mir und ging zur Besenkammer, in der die Waschmittelvorräte aufbewahrt wurden.
    Das Licht aus dem Waschkeller reichte kaum aus, um die winzige Kammer zu erfassen. Trotzdem hatte sich nie jemand die Mühe gemacht, die durchgebrannte Glühbirne auszutauschen. Mit zusammengekniffenen Augen hielt ich zwischen Eimern und Putzmitteln nach den Waschmittelpaketen Ausschau, als mich ein heftiger Stoß nach vorne taumeln ließ.
    Ich stolperte über einen Besen, der scheppernd umkippte, und fiel gegen ein Regal. Hinter mir krachte die Tür ins Schloss. Dunkelheit umfing mich und ließ mir den Atem stocken. Draußen hörte ich jemanden kichern, gefolgt von der gezischten Aufforderung, still zu sein. Kim!
    Ich drehte mich herum und tastete in der Finsternis nachdem Türknauf. Als meine Finger das kühle Metall fanden, stieß ich erleichtert den Atem aus. Ich drehte daran, doch nichts geschah. Dieses verdammte Biest hatte mich eingeschlossen!
    »Das ist wirklich witzig, Kim. Du hattest deinen Spaß. Lass mich raus.«
    Die erwartete Antwort blieb aus. Nicht einmal ein Kichern war zu hören. Ich schlug gegen die Tür. »Na los, mach schon!«
    Nichts geschah.
    Nur ganz allmählich begriff ich, dass Kim und ihre Freundinnen nicht mehr hier waren. Heilige Scheiße, sie hatten mich eingesperrt! Kein Mensch würde Sonntagabend noch in die Waschküche kommen. Vor morgen würde überhaupt niemand hier auftauchen. Wenn Kim nicht zurückkam, um mich herauszulassen …
    Die Bedeutung dieser Erkenntnis traf mich wie ein Schwall eiskalten Wassers. Schlagartig war ich mir nicht nur der Dunkelheit, sondern auch der Enge um mich herum bewusst. Die Luft roch nach Putzmittel, doch darunter lag ein schales, abgestandenes Aroma. Der Geruch verbrauchter Atemluft.
    Konnte ich hier drin ersticken?
    Ich suchte die Tür nach Spalten ab, um herauszufinden, ob sie groß genug waren, um ausreichend Luft in die Kammer zu lassen, doch Kim und ihre Freundinnen hatten das Licht in der Waschküche ausgeschaltet.
    Um mich herum war es stockfinster.
    Ich rüttelte am Türknauf. »Hallo?! Hört mich jemand?«
    Niemand antwortete mir.
    Meine Panik wuchs.
    Ich hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür. »Hilfe!«
    Immer und immer wieder schrie und schlug ich, bis meine Hände wehtaten und meine Stimme den Dienst versagte. Die Zeit verlor jegliche Bedeutung für mich. Vermutlich war ich erst seit ein paar Minuten hier drin, mir jedoch erschien es, als seien bereits Stunden vergangen. Der Gedanke, bis zum nächsten Morgen hier gefangen zu sein, ließ mein Herz rasen.
    Wieder schlug ich gegen die Tür. Meine Hände schmerzten, die Schläge wurden von Mal zu Mal schwächer und die Geräusche, die meine Fäuste auf dem Holz verursachten, konnten kaum noch weiter als bis in die Waschküche zu hören sein. Ganz bestimmt nicht außerhalb. Erschöpft und mit einem Kratzen im Hals, das mich immer wieder husten ließ, sank ich neben der Tür zu Boden.
    Die Dunkelheit lastete wie ein erdrückendes Gewicht auf mir, nahm mir den Atem und ließ die Vergangenheit lebendig werden. Ich versuchte, meine aufsteigende Angst zu unterdrücken und der Finsternis zu entfliehen, indem ich die Augen schloss.
    Denk an etwas Schönes!
    Blumenwiesen! Mom und Dad waren früher oft mit mir ins Grüne gefahren. Ich hatte die blühenden Wiesen im Frühling geliebt. Die Farben, die Gerüche. All das versuchte ich mir in Erinnerung zu rufen. Es kostete mich Mühe, doch ganz allmählich schälte sich aus der Schwärze hinter meinen

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