Die Fluchweberin
verheddert hatte. Kein Wunder, dass ich geglaubt hatte erdrückt zu werden.
Ich befreite mich aus dem Wust, der mich gefangen hielt, ging zum Fenster und schob es auf. Die kalte Luft ließ mich frösteln, trotzdem war ich froh um die Abkühlung.
Als wären meine Träume nicht auch so schon schlimm genug, hatte Kims Aktion ihnen nur noch weiteres Futter gegeben. Allein dafür hätte ich ihr am liebsten den Hals umgedreht. Irgendetwas musste passieren. Etwas, das Kimein für alle Mal davon abhielt, mir weiter das Leben schwer zu machen. Wer konnte schon ahnen, was sie sich beim nächsten Mal einfallen ließ?
Ich versuchte mir gerade auszumalen, wie ich mich bei ihr revanchieren könnte, als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung im Garten wahrnahm. Ich wandte den Kopf und spähte in die Richtung, in der ich glaubte etwas gesehen zu haben. Es dauerte einen Moment, ehe sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, dann jedoch bemerkte ich eine dunkle Silhouette. Da war jemand, halb hinter einem Baum verborgen. Eine hochgewachsene Gestalt, die still im Schatten eines Baumstamms stand und zu den Fenstern hochblickte. Ich machte einen Schritt zur Seite, aus Angst, gesehen zu werden. Die Gestalt bewegte sich. Es sah aus, als würde sie etwas in einer Art Beutel zusammenpacken. Ein schwaches Glimmen, wie ein dünner roter Lichtpunkt, ging vom Boden aus, als die Gestalt sich im Schutz der Bäume in die Dunkelheit zurückzog.
Minutenlang stand ich reglos da, während mein Blick den Garten nach einer verdächtigen Bewegung absuchte. Von dem nächtlichen Besucher war nur das rötliche Glimmen geblieben.
Die Glut einer Zigarette?
Nachdem die Gestalt nicht zurückkehrte, schloss ich das Fenster, schnappte mir meine Sachen und ging ins Bad. Auch die ausgedehnte Dusche konnte nichts daran ändern, dass ich mich fragte, was da draußen gerade passiert war. War einer der Jungs ein Spanner, der heimlich die Fenster der Mädchen beobachtete? Das kam mir seltsam vor, denn abgesehen davon, dass alle schliefen und es, bis auf eine Front dunkler Fenster, nichts zu sehen gab, hatte der Kerl (seiner Größe nach musste es sich um einen der älteren Jungen oder einen Mann gehandelt haben) auch kein Fernglasdabeigehabt. Dafür einen Beutel mit irgendwelchen anderen Sachen.
Bis ich die Dusche wieder verließ, erwachte das Haus allmählich zum Leben. Draußen dämmerte der neue Tag heran und es war Zeit, frühstücken zu gehen. Ich schnappte mir meine Tasche und machte mich auf den Weg.
Kies knirschte unter meinen Sohlen, als ich dem Pfad folgte, der vom Wohnheim zum Haupthaus führte. Unwillkürlich wanderte mein Blick zu dem schmalen Durchgang zwischen den Ausläufern des Haupthauses und meinem Wohnheim. Bevor ich wusste, was ich tat, verließ ich den Weg und tauchte in die Schatten zwischen den Gebäuden ein. Ich schlängelte mich an einem abgedeckten Stapel Dachschindeln vorbei, der von der letzten Reparatur übrig geblieben war, und trat auf der anderen Seite in den Garten. Mit einem kurzen Blick versicherte ich mich, dass mir niemand gefolgt war, dann ging ich zu der Baumgruppe, in deren Schutz ich die Gestalt gesehen hatte.
Hinter dem Baum war das Erdreich von Fußspuren aufgewühlt, doch da war noch mehr. Ein abgebranntes Räucherstäbchen, das vermutlich der Ursprung des Glimmens gewesen war. Daneben lagen ein verkohltes Streichholz und ein Kerzenstummel. Ein gräuliches Pulver umschloss verschlungene Zeichen, die mit einem dünnen Ast im Schatten des Baumstamms in die Erde geritzt worden waren.
Mit offenem Mund starrte ich auf das Szenario vor mir.
Die Überreste eines Rituals.
Heilige Scheiße, offensichtlich war ich hier nicht die Einzige mit Magie im Blut!
Ich kannte mich zu wenig mit anderen Formen der Zauberei aus, um zu erkennen, welchen Zweck dieses Ritual haben sollte. Der Anblick der verschlungenen Zeichen und Symbole jagte mir jedoch einen Schauer über den Rücken.
Vielleicht konnte ich etwas darüber herausfinden. Dazu müsste ich allerdings die Zeichen abmalen und Nachforschungen anstellen. Nachforschungen, die mich den Kopf kosten konnten, wenn ich dabei erwischt wurde. Nein, das war es nicht wert.
»Raine, was machst du denn um diese Zeit hier draußen?« Mr Cranstons Stimme ließ mich herumfahren. »Solltest du nicht beim Frühstück sein?«
Er kam vom Haus auf mich zu. Rasch streckte ich den Fuß aus, verwischte die Zeichen auf dem Boden und schob ein wenig Erde über das Räucherstäbchen und die anderen
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