Die Fluchweberin
dass ich Kim nicht nur abpassen, sondern auch noch unbemerkt ihre Haare in die Finger bekommen konnte?
Ich baute darauf, dass sie ihren Freundinnen aus dem Weg gehen und erst in den Waschraum kommen würde, wenn die anderen ihn bereits verlassen hatten. Also wartete ich weiter. Und versuchte, nicht ständig an Skyler und seinen Kuss zu denken. Oder daran, dass er mich womöglich akzeptieren würde, wenn er die Wahrheit über mich erfuhr.
Dass sich ein paar Mädchen über ihn unterhielten, machte es nicht einfacher, nicht an ihn zu denken. Sie klangen jung, vermutlich gehörten sie der Unterstufe an, aber es war nicht zu überhören, dass sie Skyler heiß fanden. »Die Narbe gibt ihm das gewisse Etwas«, seufzte eine.
Und eine andere meinte: »Vergiss ihn, der hat nur Augen für Raine MacDaniels.«
Es gelang mir nicht, das Grinsen zu unterdrücken, das sich bei ihren Worten in mein Gesicht schlich. War das wirklich so offensichtlich, dass er mich mochte?
»Aber er hat mich angesprochen«, protestierte die Erste.
Die andere lachte. »Er hat dich nach einem Stift gefragt, weil er sich für das Training eintragen musste.«
»Eben«, rief sie triumphierend. »Einen Stift . Hallo?! Wir sind in einer Schule. Warum sollte er keinen in der Tasche haben.«
Weil Skyler seine Stifte ebenso gerne in seinem Zimmer vergaß wie seine übrigen Schulunterlagen.
Das Auftauchen von Cin, Tanya und Michelle schlug die beiden Jüngeren in die Flucht. Ich wusste, dass es die drei waren, noch bevor das erste Wort fiel. Michelles gehässiges Gelächter reichte vollkommen.
»Ich weiß nicht, warum Max sich noch mit Kim abgibt«, ätzte Cin.
»Wundert dich das wirklich?«, gab Tanya zurück. »Immerhin hat er auch versucht, Raine zu daten.«
Michelle lachte wieder, ein Laut, der große Ähnlichkeit mit einer quietschenden Tür hatte. Die drei lästerten munter weiter, und obwohl sie nicht wussten, dass ich da war, fühlte ich mich in ihrer Nähe zunehmend unwohl. Glücklicherweise verzogen sie sich schnell unter die Duschen und waren kurz darauf verschwunden. Noch immer kamen und gingen Mädchen. Manche lachend und in Gruppen, andere allein, sodass ich sie nicht bemerkt hätte, wenn nicht plötzlich das Rauschen einer Dusche zu hören gewesen wäre.
Was, wenn Kim eine von ihnen gewesen war? Wenn sie längst geduscht in ihrem Zimmer saß und ich sie nicht bemerkt hatte? Ich sah mich schon, wie ich nachts in ihr Zimmer schlich und ihr im Schlaf eine Locke abschnitt.
Bitte, bitte nicht!
Obwohl ich am liebsten rausgestürmt wäre und mich davon überzeugt hätte, dass sie nicht längst fort war, zwang ich mich zu warten. Zum Glück wurde meine Geduld nicht weiter auf die Probe gestellt.
Tatsächlich gehörte Kim zu denen, die allein hereinkamen. Hätte ihr nicht ein Mädchen, das gerade aus der Dusche kam, einen Gruß zugerufen, wäre sie unbemerkt herein- und wohl auch wieder nach draußen geschlüpft, ohne dass - ich es mitbekommen hätte.
Mit klopfendem Herzen verharrte ich in meinem Versteck und wartete darauf, dass Kim unter der Dusche verschwand. Sobald ich das Rauschen des Wassers vernahm, entriegelte ich meine Tür und zog sie einen Spaltbreit auf. Das Mädchen, das Kim gegrüßt hatte, stand vor dem Spiegel und kämmte sein Haar. Ich wartete, bis sie ihre Sachen nahm und den Waschraum verließ. Sobald die Tür hinter ihr zugefallen war, zählte ich bis zwanzig, dann wagte ich mich hinaus.
Kims Kulturbeutel lag auf der Ablage über dem Waschbecken. Ich schnappte ihn mir und zog den Reißverschluss auf. Was, wenn Kim zu denen gehörte, die nach dem Kämmen jedes einzelne Haar aus der Bürste zupften? Das durfte einfach nicht sein! Als ich in die Tasche griff, spürte ich, wie mich etwas am Handrücken kitzelte. Ich zog die Bürste heraus und blickte erleichtert auf die langen blonden Haare, die sich darin verfangen hatten.
Das Rauschen des Wassers verstummte.
Schnell zupfte ich die Haare heraus, verstaute die Bürste wieder und stellte die Tasche auf die Ablage zurück. Das Tappen nackter Füße auf Fliesen. Kim kam! Ich fuhr herum, riss die Tür auf und stürmte aus dem Waschraum. Die Umkleidekabine war mittlerweile verlassen, die meisten hatten sich bereits ins Haus verzogen, sodass ich unbemerkt hinausschlüpfen und ins Wohnheim zurückkehren konnte.
13
Während im Haus noch überall Stimmen und Gelächter zu hören waren, traf ich im schwachen Schein der Nachttischlampe meine Vorbereitungen. Ich steckte Kims
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