Die Fluchweberin
Stellen, an denen es von mir erwartet wurde. Heute jedoch hatte ich wirklich Spaß. Ich begann sogar selbst herumzuwitzeln. Allerdings wurde mir schnell klar, warum ich mich so benahm. Ich war nicht nur gut gelaunt, sondern regelrecht überdreht. Tatsächlich wartete ich ungeduldig darauf, dass Kim endlich auftauchte.
Im Gegensatz zu den letzten Tagen kam sie wieder zuihrer gewohnten Zeit, kurz vor Unterrichtsbeginn. Ein gutes Zeichen. Allerdings sah sie grauenvoll aus. Sie wirkte verschlafen, war bleich und sah trotz der dicken Make-up-Schicht irgendwie zerknittert aus. Als Michelle eine dumme Bemerkung machte, wies Kim sie zurecht, ganz so wie früher. Ein paar scharfe Worte, die Michelle sofort ihren Platz in der Hackordnung zeigten – unter Kim.
Wir hatten unser Frühstück beendet und brachten unsere Tabletts weg. Absichtlich suchte ich mir dabei einen Weg, der mich an Kims Tisch vorbeiführte. Als ich auf ihrer Höhe war, wünschte ich ihr einen guten Morgen.
»Verzieh dich, du Loser«, schnauzte sie mich an und wandte sich sofort von mir ab.
Zufrieden ging ich weiter. Es hatte funktioniert. Der Fluch war Geschichte, Kim wieder die Alte und ich künftig raus aus ihrem Kopf.
Ich hatte keine Ahnung, was sie über die letzten Tage denken mochte und in welcher Form sie sich überhaupt daran erinnerte, doch das war mir offen gestanden auch egal.
Skyler hatte sein Tablett bereits weggestellt und nahm mir meines ab. Er deutete in Kims Richtung. »Was ist mit der schon wieder los?«
»Ich würde sagen, alles wieder beim Alten.«
Er seufzte und schob mein Tablett in den Wagen. »Wäre auch zu schön gewesen.« Als er sich wieder zu mir herumdrehte, lag ein besorgter Ausdruck auf seinem Gesicht. »Versprich mir, dass du mir Bescheid sagst, wenn sie wieder etwas anstellt.«
»Gedankenübertragung, mit der ich dich zur Rettung rufe, falls ich mal wieder in einer Putzkammer lande?«
»Dein Handy griffbereit mit meiner Nummer auf Kurzwahl, die du im Notfall sofort drückst?«
Das klang vernünftig und irgendwie auch ein wenig beruhigend. Skyler würde auf mich aufpassen, und solange er in meiner Nähe war, würde Kim mich vielleicht in Ruhe lassen.
Anscheinend war mir anzusehen, dass der Zettel mit seiner Nummer noch auf meinem Schreibtisch lag, ich sie aber nicht eingespeichert hatte, denn Skyler streckte die Hand aus. »Gib mir dein Handy.«
Ich gab es ihm, im Gegenzug drückte er mir seines in die Hand. Ich speicherte meine Telefonnummer in seinem Adressverzeichnis.
»Kurzwahltaste eins«, sagte er.
Als er mir mein Mobiltelefon zurückgab, berührten sich unsere Hände. Ganz langsam ließ er seine Finger über meine gleiten und hinterließ eine prickelnde Spur von Wärme auf meiner Haut.
»Willst du immer noch ein Date?«, fragte ich.
Skyler blieb so abrupt stehen, als hätte ich ihm einen Fausthieb verpasst. »Fragst du mich gerade, ob ich mit dir ausgehen will?«
Ich biss mir auf die Lippe, um ein Lachen zu unterdrücken. »Nein«, erwiderte ich todernst. »Ich wollte nur wissen, ob du noch an dieser Date-Sache interessiert bist.«
»Sehe ich aus, als würde ich so schnell aufgeben?«
»Ich glaube, du bist eher von der anhänglichen Sorte«, zog ich ihn auf.
Er trat einen Schritt näher, dann noch einen. Immer weiter schob er sich auf mich zu und zwang mich zugleich zurückzuweichen, bis ich mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Dann stützte er die Hände rechts und links von meinen Schultern gegen das Mauerwerk und beugte sich zu mir, so dicht, dass sich unsere Nasen beinahe berührten.
»Ich finde eher, ich bin einer von der gut aussehenden und extrem liebenswerten Sorte.«
»Und wahnsinnig bescheiden.«
»Das auch«, stimmte er zu. Bei jedem Wort strich sein warmer Atem über mein Gesicht. Ich wünschte mir so sehr, er würde mich küssen, dass es mir schwerfiel, mein eigentliches Vorhaben nicht zu vergessen. Skylers Lächeln wurde breiter. »Mit meiner Bescheidenheit gehe ich allerdings nicht gerne hausieren, das kann schnell arrogant wirken. Aber ich bin froh, dass du es bemerkt hast.«
Ich musste lachen, dabei berührten sich unsere Nasen und im nächsten Moment unsere Münder. Es war nur ein kurzes zärtliches Streifen unserer Lippen, nicht ansatzweise genug. Doch Skyler schien sich in den Kopf gesetzt zu haben, mich zu quälen.
»Fürs Protokoll: Ja, ich will immer noch mit dir ausgehen. Übrigens mehr denn je.« Er sah mir in die Augen. »Was willst du jetzt mit dieser Information
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