Die Fluchweberin
Saison statt, gegen eine Schulmannschaft, die eigens aus Plymouth anreisen würde. Skylers Reaktion zeigte mir, dass er es entweder tatsächlich vergessen hatte oder sich einfach nicht darum scherte. Für die Dauer eines Atemzugs starrte er Micky-Mikey mit zusammengekniffenen Augen an, ehe sich seine Züge glätteten. »Verflucht, ist es schon so spät?«
Er schien vergessen zu haben, dass er noch immer meine Hand hielt, vermutlich spürte ich deshalb die Last um meinen Hals noch so deutlich. Während die beiden sprachen, tastete ich unauffällig nach meinem Kragen und zog ihn ein Stück nach vorn. Darunter glitzerte ein Anhänger an einer Kette.
Bei ihrem Anblick, der all meine Befürchtungen bestätigte, entzog ich Skyler erschrocken meine Hand. Sofort verblassten Anhänger und Kette vor meinen Augen. Lediglich ihr Gewicht spürte ich auch weiterhin.
Ich hatte genug gesehen.
Es war das Medaillon, das Max Kim geschenkt hatte. Plötzlich konnte ich die einzelnen Stücke wie Puzzleteile zusammensetzen. Kim hatte die Kette kurz nach Skylers Ankunft bekommen. Womöglich war sie in der Post gewesen, auf die der Magiescanner reagiert hatte. Wegen dieser elenden Kette war Skyler hier. Und jetzt hatte ich sie im wahrsten Sinne des Wortes am Hals.
Im ersten Moment wunderte ich mich darüber, dass Kim dieses Mal keinen solchen Aufstand gemacht hatte, als ihr aufgefallen war, dass das Medaillon fort war. Aber vermutlich hatte sie es nicht verloren. Wahrscheinlicher war, dass sie es im nächsten Mülleimer versenkt hatte, nachdem Max sie abgesägt hatte.
»Komm schon, Skyler, lass uns nicht hängen«, sagte Micky-Mikey gerade.
»Er hat recht«, mischte ich mich ein. »Ich habe gesehen, wie du spielst. Das Team braucht dich. Wir unterhalten uns einfach später weiter.«
Ihm war anzusehen, wie wenig ihm die Entwicklung behagte, trotzdem hielt er mich nicht auf, als ich mir meine Tasche schnappte und an Micky-Mikey vorbei aus dem Aufenthaltsraum schlüpfte.
In meinem Zimmer ließ ich meine Tasche fallen und öffnete die Schranktür. Ich knöpfte die obersten Knöpfe meiner Bluse auf und zog den Kragen auseinander, bis ich meinen Hals deutlich im Spiegel erkennen konnte. Ein Hals vollkommen ohne Schmuck. Wann hatte ich das Amulett sehen oder anfassen können? Ich konzentrierte mich; es war gestern auf dem Rückweg zum Wohnheim und vorhin im Aufenthaltsraum. Beide Male hatte Skyler mich berührt. Nein, nicht einfach berührt. Als er meinen Arm oder mein Bein angefasst hatte, war nichts geschehen, erst als er gestern meine Hand genommen und vorhin meinen Handrücken gestreichelt hatte, war die Kette zum Vorschein gekommen. Es musste mit seinen Sucherkräften zu tun haben, die bei direktem Hautkontakt auf die Magie einwirkten, die das Amulett verbarg. Vielleicht waren es die Runen, die auf seinen Körper tätowiert waren, Runen, in die angeblich Zauber eingewoben waren, die ihren Träger schützen und in die Lage versetzen sollten, Zauberei aufzuspüren. Einmal mehr wurde mir die Doppelmoral der Magiepolizei bewusst, die sich ausgerechnet mit derselben Magie schützte, die sie auch auszulöschen trachtete.
Ich hatte wirklich unglaubliches Glück, dass meine eigene Magie so schwach war, dass Skyler nicht sofort darauf aufmerksam geworden war. Nicht einmal dann, als wir uns nähergekommen waren. Dass es mir bisher gelungen war, die Wahrheit vor ihm zu verbergen, nährte die Hoffnung,dass ich es auch weiterhin schaffen konnte. Jetzt musste ich erst einmal mehr über das Amulett in Erfahrung bringen. Da ich weder Max noch Kim danach fragen konnte, gab es nur einen Ort für den Beginn meiner Nachforschungen: Max’ Zimmer.
Der Moment war günstig. Das Teammeeting würde sicher länger dauern, und wenn ich mich beeilte, war ich lange vor Max’ Rückkehr wieder aus seinem Zimmer verschwunden. Ich zog mich rasch um, tauschte den Faltenrock gegen ein paar bequeme Jeans und die Pumps gegen Turnschuhe, bevor ich mich mit klopfendem Herzen auf den Weg ins Wohnheim der Jungen machte. Ich hatte keinen Grund, so nervös zu sein, die meisten waren entweder in der Sporthalle oder in der Bibliothek. Diejenigen, die sich vor beidem drückten, hatten sich vermutlich in ihre Zimmer verkrochen und würden mir nicht in die Quere kommen.
Unbehelligt erreichte ich den ersten Stock und folgte dem Gang zu Max’ Zimmer. Tatsächlich war es ungewöhnlich still. Kein Gelächter drang aus den Aufenthaltsräumen, keine laute Musik aus den Zimmern,
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