Die Fluchweberin
einmal mehr mit ihr zusammengestoßen, doch das konnte ich nicht tun. Er würde auf der Stelle loslaufen und sie zur Rede stellen, sie womöglich sogar bei der Schulleitung melden. Das wollte ich nicht, denn in dieser Sache war Kim ebenso ein Opfer, wie ich es war. So, wie es aussah, blieb mir keine andere Wahl, als mit der Wahrheit rauszurücken. Immerhin konnte ich jetzt beweisen, dass Magie im Spiel war, ich musste ihn nur noch davon überzeugen, dass sie nicht von mir ausging.
»Dass Kim versucht hat mich umzubringen, war nicht ihre Schuld«, begann ich vorsichtig. »Sie war in dem Moment nicht sie selbst.«
»Ihre Augen.«
Ich sah auf. »Du hast sie gesehen?«
Skyler nickte. »Ich konnte es nicht zugeben, um meine Tarnung nicht zu riskieren. Hast du eine Ahnung, was mit ihr passiert ist?«
»Bestenfalls eine Art Theorie.«
Ich begann meinen Bericht mit meinem ersten Zusammenstoß mit Kim, bei dem nicht sie gesprochen hatte, sondern diese andere, fremde Stimme. Stück für Stück erzählteich Skyler, was ich gehört und gesehen hatte, ohne dabei etwas über den Fluch oder meine Verbindung zu Kim zu offenbaren, die mich in ihren Verstand gezogen und mich die Welt durch ihre Augen hatte wahrnehmen lassen.
»In der Nacht nach ihrem Angriff hatte ich einen Traum. Zumindest dachte ich anfangs, es wäre ein Traum gewesen. Inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher.« Ich beschrieb Skyler die schemenhafte Gestalt und wie sie sich über mein Bett gebeugt hatte.
Skylers Miene war zu einer Maske erzwungener Ruhe erstarrt. »Was hat er getan?«
Verschwommene Bilder blitzten vor meinen Augen auf, die Erinnerung an Worte, die ich sofort wieder vergaß, kaum dass sie ausgesprochen waren. Meine Bewegungsunfähigkeit und die damit einhergehende Angst, die sich unter ein paar Worten und Gesten in Nichts aufgelöst hatte. »Ich bin mir nicht sicher. Er hat meine Erinnerung irgendwie … manipuliert. Ich glaube, es war eine Art Ritual.«
»Kannst du dich an etwas erinnern? Irgendwas? Jede Kleinigkeit kann uns weiterhelfen.«
Ich versuchte es wirklich, doch es wollte mir nicht gelingen. Schließlich schüttelte ich den Kopf. »Nur an dieses Amulett.«
Skylers linke Augenbraue schoss fast senkrecht in die Höhe. »Ein Amulett?«
»Oder Medaillon. Nenne es, wie du willst. Am Ende dieses … Rituals legte er mir eine Kette um den Hals.« Dann hatte er mich auf die Stirn geküsst. »Er sagte noch etwas, bevor er verschwand.« Fieberhaft suchte ich in meiner Erinnerung nach seinen letzten Worten und hätte um ein Haar triumphierend aufgeschrien, als sie mir wieder einfielen. » Bald sind wir wieder vereint . Das war es! Das hat er gesagt. Als ich am Morgen wieder aufwachte, hielt ich zunächstalles für einen Traum. Je mehr Zeit jedoch verstrich, desto sicherer war ich mir, dass ich nicht geträumt hatte. Ich trug keine Kette um meinen Hals, doch ich glaubte ihr Gewicht zu spüren.«
Ich beschrieb ihm, wie ich mich den ganzen Tag über davon zu überzeugen versucht hatte, dass da nichts um meinen Hals war. Keine Kette und auch sonst nichts. Als ich ihm davon erzählte, wie ich nach dem Duschen den Schatten aus dem Augenwinkel gesehen hatte, wurde ich vorsichtig, wählte jedes Wort sorgfältig aus, um nicht versehentlich von meiner Aurensicht zu erzählen oder ihm in anderer Form einen Hinweis auf meine eigenen Kräfte zu geben. Ich erzählte ihm lediglich, dass es mir irgendwie gelungen war, die Kette zu fassen zu bekommen und wie ich sofort zurückgeschleudert worden war. Als ich an der Stelle ankam, an der ich sah, dass es meine eigenen Hände waren, die sich um meinen Hals geschlossen hatten, hielt ich kurz inne. »Als ich im Spiegel sah, dass niemand über mir saß, sondern dass ich es selbst war, da …« … nutzte ich meine Gabe, auf Gefühle und Stimmungen Einfluss zu nehmen, um mich zu befreien. »Da schloss ich die Augen und … und plötzlich löste sich mein Griff um meinen Hals.« Hoffentlich klang die Lüge in seinen Ohren glaubhafter als in meinen.
Während ich gesprochen hatte, war Skyler die meiste Zeit über nicht anzusehen gewesen, was er von meiner Geschichte hielt. Jetzt jedoch betrachtete er mich mit gerunzelter Stirn.
Eine Weile wartete ich darauf, dass er endlich etwas sagte. Am liebsten etwas wie »Kein Problem, dich von diesem Ding zu befreien.« Stattdessen schwieg er. Je länger die Stille andauerte, desto mehr wuchs meine Unruhe. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. »Kannst du bitte
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