Die Flüchtlinge des roten Mondes
Rhomda, Edle, und er begleitet Euch sicher zu Euren Leuten. Und wenn ich diesen Balg erwische …“ Er wandte sich mit unruhigem Kopfzucken ab, um zu dem Vorposten zu sprechen, und der blaugekleidete Mann hob seinen Speer mit einer derart geschickten Handbewegung auf die Schulter, daß Dane vor Erstaunen zwinkerte. Er hatte dunkle Haut und war sehr muskulös. Zu der kurzen blauen Tunika, die ihn von den anderen graugewandten Männern unterschied, trug er kurze Stiefel, die wie Wildleder aussahen, und darüber Beinschutz, die seine nackten Beine vor dem Unterholz und giftigen Kratzern schützten. Er war nicht mehr sehr jung – ganz offensichtlich sich selbst und seiner Umgebung sehr bewußt –, doch sein Haar war von gleichmäßiger Schwärze ohne die geringste Spur von Grau, und er bewegte sich wie ein durchtrainierter Jüngling.
„Wenn die Edlen bitte mit mir kommen wollen“, sagte er und führte die Gesellschaft zurück zu der Reihe der Ganjir. Dane hatte bemerkt, wie Meister Rhomda sein Schwert betrachtet hatte und wie sein Blick eine Sekunde lang bewundernd auf Riannas Speer ruhte. Doch äußerlich beschränkte sich seine Aufmerksamkeit lediglich auf Dravash und Aratak. Sie waren die Anführer.
Rianna und ich sind bloß Diener. Leibwächter.
Irgendwo in Danes Hinterkopf, unter den Massen von Informationen, die in sich aufzunehmen man ihn gezwungen hatte, rief irgend etwas seine Aufmerksamkeit hervor, etwas, was mit der blauen Tunika zu tun hatte. Aber er konnte sich nicht erinnern.
Männer in blauen Tuniken … sie waren irgend etwas Wichtiges. Nun, er wollte schon glauben, daß Meister Rhomda wichtig war, höhergestellt als jemand, der lediglich die Leibwächter einer Karawane überwacht. Er sah wie jemand aus, der Einfluß hatte.
Auf ihn müssen wir aufpassen. Er könnte unsere Geschichte durchschauen, wenn das überhaupt jemand kann!
7
Aus der Nähe rochen die Ganjir wie Schafe, ein schwerer Geruch nach Wolle und Lanolin. Ihre langen Nasen waren eigentlich kleine, vorstehende Rüssel wie beim Tapir oder der Elefantenrobbe. Sie streckten sie zu einer Länge von einigen Zentimetern aus, wenn sie schnupperten, und zuckten nervös wie der Mann, der sie führte. Die Männer scharten sich um Meister Rhomda und bedrängten ihn mit Fragen.
„Speermeister, was ist geschehen?“
„Was ist los? Werden wir von Banditen angegriffen?“
„Wer sind diese Fremden? Habt ihr die Banditen gefangen?“
„Seid nicht albern. Wenn es Banditen wären, würde ihnen Meister Rhomda nicht die Waffen gelassen haben! He, eine ist ein Mädchen. Die da mit dem langen Speer!“
„Hat da nicht eine Rasha geschrien?“
„Speermeister, Speermeister, sag uns, was los ist!“
„Wartet“, sagte Meister Rhomda und wies die sich zusammendrängenden Männer zurück. „Alles zu seiner Zeit.“
Ein junger Mann, eigentlich noch ein Junge von vierzehn oder fünfzehn Jahren, drängte sich durch die Menge. Sein Gesicht wirkte ärgerlich und ziemlich furchterregend. Im starken Gegensatz zu der dunklen Haut zog sich eine weiße, wulstige Narbe von der Braue bis zum Haaransatz und bildete im Haar selbst eine dünne, kahle Linie. Der Mann in der blauen Tunika bewegte sich auf ihn zu.
„Dein Vater sucht dich, Joda. Ich fürchte, er ist wütend.“
Trotzig zuckte der Junge die Schultern. „Das ist nichts Neues. Werden wir angegriffen, Speermeister? Wer sind diese Fremden?“
„Reisende aus Raife“, gab der Speerwerfer zurück, und Dane hörte die erstaunten Rufe der Männer, die sich immer dichter um sie herum drängten.
„Dein Vater wollte, daß du dich um sie kümmerst. Ja, es stimmt, wir sehen uns Banditen gegenüber“, fuhr er mit freundlicher Stimme fort, „doch unsere Vorposten wissen, wo sie sind, und sie werden vielleicht keine so große Gruppe angreifen. Jedenfalls werden sie uns nicht überraschen können.“
Angesichts seiner überlegten Sicherheit waren die meisten Männer, die sich um den Speermeister gedrängt hatten, zurückgegangen, sich um die Ganjirn zu kümmern. Aber nicht alle.
„Komm, Kleine, bleib ein bißchen hier und unterhalte dich mit uns“, hörte Dane eine einschmeichelnde Stimme hinter sich, wo Rianna stand. „Ich habe etwas Hübsches für dich …“ Die Stimme brach mit einem keuchenden Laut, der fast wie ein Schrei klang. Dane wirbelte herum, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie der Mann mit der einschmeichelnden Stimme zu Boden ging. Rianna umfaßte immer noch seinen Arm. Sie
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