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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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Geschichte zu fragen, die die Zwillinge zum besten gegeben hatten. Aber es war vielleicht besser, wenn er das nicht tat. Es gab so viele andere Dinge, über die er mit ihr sprechen wollte. Die Räuberpistole der Kinder konnte warten.
    Als sie ihm den Krug in die Hand drückte, legte er den Kopf zurück, schloß die Augen und berührte das Gefäß dort mit den Lippen, wo vor kurzem noch die ihren gewesen waren.
     
    „Du glaubst, er wird es nicht tun?“
    Hart hatte den Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt und machte eine nachlässige Geste. Seine Hosenbeine waren unterhalb der Knie abgeschnitten. Seine Füße baumelten im Gewässer des schmalen, sich schnell dahinbewegenden Flusses. Drake war ein paar Schritte von ihm entfernt. Er achtete sorgfältig darauf, daß er seinen grauen Anzug nicht beschmutzte.
    „Jason wird nachgeben“, erwiderte Hart. „Immerhin sind erst vier Tage um. Aber ich kann ihm das geben, was er will, und das weiß er. Sei geduldig, Drake.“
    „Was Leistungen angeht, Kennerin, so bin ich geduldig. Wenn man einen Fortschritt sieht. Aber du hast bisher überhaupt nichts geleistet.“
    „Er fängt an, mir zu vertrauen. Ich glaube, das ist Leistung genug.“ Hart beugte sich vor und beobachtete einen kleinen Fisch, der an seinen Zehen vorbeischwamm. Seine Hand glitt ins Wasser. Kurz darauf bewegte sich der Fisch in seiner hohlen Hand. Hart betastete den runden Leib des Lebewesens, dann packte er es am Schwanz und warf es in den Fluß zurück. Er lachte und schüttelte seine Hand. Wassertropfen spritzten im Sonnenlicht davon.
    „Ich kann nicht für immer warten, weißt du“, sagte Drake. „Ich habe auch noch andere Dinge zu tun.“
    „Die können ein bißchen länger warten.“ Hart trocknete sich die Füße im Gras ab und schlüpfte in seine Sandalen. Drake folgte ihm, als er am Flußufer entlangging.
    „Als ich noch klein war, hatte ich hier unten ein Versteck“, sagte Hart. Er bahnte sich einen Weg durch das Schilf. „Es war komplett eingerichtet. Ich hatte Kuchen, Wasser und Obst da; alles, was ich aus der Küche klauen konnte. Wenn ich der Meinung war, daß alle Welt mich nicht leiden konnte, ging ich hier hinunter und redete mir ein, daß ich nie wieder nach Hause zurückgehen würde. Und wenn es dann Nacht wurde und ich Hunger bekam, schlich ich mich zurück. Manchmal kam Quilla auch herunter, setzte sich ans Ufer und sang ein Lied. Sie tat dann so, als fühle sie sich ganz allein, dabei wußte sie natürlich, daß ich hier irgendwo steckte. Wie sie daraufgekommen ist, habe ich nie herausgefunden.“ Hart lächelte. „Irgendwo hier muß es gewesen sein. Aber es hat sich allerhand verändert.“
    Drake schnaubte. Er hielt sich vom Fluß fern. Hart lief durch das Wasser. Er bückte sich plötzlich, faßte mit den Händen nach den Ufergewächsen und hielt dann einen rostigen Topf in der Hand.
    „Drake!“ rief er. „Hier, fang!“
    Drake streckte einen Arm aus, aber der Topf prallte gegen seine Handfläche und fiel wieder ins Wasser zurück. Als er vorbeitrieb, zog Hart ihn heraus und ging auf Drake zu.
    „Es muß irgendwo hier gewesen sein“, sagte er und drehte den Topf zwischen den Fingern. „Offenbar habe ich dieses Ding aus der Küche stibitzt. Es sieht aus wie einer von den Töpfen, in denen Laur Milch aufbewahrte.“ Er runzelte plötzlich die Stirn und warf den Topf ins Unterholz.
    „Na komm“, sagte er. Sie ließen den Fluß hinter sich.
    „Ich kann nicht den ganzen Monat hierbleiben“, sagte Drake. „Wenn aus deinem Vorhaben nichts wird, muß ich nach Kroeber zurück und die Verhandlungen aufnehmen. Und was das bedeutet, weißt du.“
    „Dein ewiges ‚Ich kann nicht’ wird allmählich zum Programm, Drake. Meine Behandlungsmethode wirkt. Das müßtest du wissen.“
    „Ich weiß, daß sie bei Labortieren wirkt. Ich weiß, daß sie in der Theorie wirkt. Aber ich weiß nicht, was sie in der Praxis wert ist.“
    „Dann stell dich doch für einen Versuch zur Verfügung.“
    „Oh nein. Du wirst mich nicht eher anrühren, bis ich weiß, daß die Sache sicher ist.“
    „Du siehst lieber meinen Vater als Versuchskaninchen, stimmt’s?“
    „Hör zu, Kennerin …“ Drake blieb unter einem Baum stehen und stemmte eine Hand in seine Hüfte. „Vergiß nicht, wer du bist und wen du vor dir hast.“
    „Du bist ein kranker alter Mann, der mindestens sechzig Jahre älter ist, als er aussieht, und das meiste an dir besteht aus Ersatzteilen. Und ich bin derjenige, der

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